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Interview

Die Zeit ist reif für Junia

Als geschäftsführender kfd-Bundesvorstand sind Mechthild Heil, Agnes Wuckelt und Monika von Palubicki die Herausgeberinnen der "Frau und Mutter". Sie haben sich, wie schon zuvor eine entsprechende Arbeitsgruppe, für den neuen Titel der Zeitschrift eingesetzt, der von der Bundesversammlung im September einstimmig beschlossen wurde. Im Interview erklären sie, warum. 

 

Frau und Mutter: Was verbinden Sie mit der "Frau und Mutter?

Mechthild Heil: Ursprünglich verbinde ich "Frau und Mutter" mit zu Hause, mit meiner Mutter, mit den Frauen, bei uns "Helferinnen" genannt, die die Zeitschrift zu den Mitgliedern gebracht haben und heute noch bringen. Nachdem ich aus der katholischen Jugend herausgewachsen war und als junge Frau kfd-Mitglied wurde und ein eigenes Heft, meine eigene "Frau und Mutter", bekam, ist das ein Teil der festen Verbindung zu meiner Kirche. 

Monika von Palubicki: Kindheitserinnerungen ... Bereits an der Hand meiner Mutter habe ich die Mitgliederzeitschrift verteilt und den Vereinsbeitrag eingesammelt. Als ich älter wurde, "durfte" ich das "Mütterblättchen" allein verteilen, wenn meine Mutter keine Zeit hatte; als Jugendliche dann auch gelegentlich "kassieren".

Agnes Wuckelt: Für mich birgt der Titel ganz viel Geschichte: angefangen bei den "Müttervereinen", die sich Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten und einen Schritt zur Frauenemanzipation darstellten.

In der Frauenbewegung gab es viele Strömungen - vom radikalen sozialistischen Flügel bis hin zur Aufwertung des "typisch weiblichen", einer Ausrichtung von Feminismus in den 1980er-Jahren. Heute diskutieren wir zwischen allen Polen von differenzierender Genderforschung bis hin zum "weiblichen Wesen", das in der biologischen Gebärfähigkeit gründet und das kirchenamtlicherseits favorisiert wird. "Frau und Mutter" hat viele dieser Strömungen miterlebt. Als unabhängige Frau fühle ich mich allerdings vom Titel der Zeitschrift nicht angesprochen.

Was hat Sie bestärkt, den Weg für einen neuen Titel zu fördern?

Heil: Die Erfahrung von Aus- und Abgrenzung. Es ist nicht so lange her, dass wir Frauen in der Kirche noch mit "liebe Brüder" angesprochen wurden. Jede Frau, die das hörte, erlebte die Ausgrenzung. Jeder war bewusst, ich bin nicht so wertvoll, als dass ich genannt werde. Ähnliches gilt für den Titel "Frau und Mutter". Wir sind in der kfd lange darüber hinweg zu denken, eine Frau sei nur dann ein wertvoller Mensch, wenn sie Mutter ist. Alle Lebensentwürfe von Frauen schätzen wir gleichermaßen. Die Zeit ist reif, dies nun endlich auch in einem neuen Titel auszudrücken.

Alle Lebensentwürfe von Frauen schätzen wir gleichermaßen. Die Zeit ist reif, dies nun endlich auch in einem neuen Titel auszudrücken."

Wuckelt: Die Vielfalt von Frauenbildern, Frauengeschichten, Frauenleben ... wir müssen als Verband möglichst alle Mitglieder in ihrem Selbstverständnis ansprechen. Das sind sicherlich auch Mütter und Großmütter, aber diese haben meines Erachtens ein Selbstbild, das über die Tatsache, dass sie ein (oder mehr) Kind(er) zur Welt gebracht haben, weit hinausgeht.

Auch in unserer Kirche haben Frauen ein Selbstbewusstsein entwickelt, das zum Ausdruck kommen muss. Sie "tragen Kirche". Der Titel "Frau und Mutter" wird der Forderung von Gleichstellung von Frauen und Männern nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Kirche nicht gerecht.

Von Palubicki: In den letzten Jahrzehnten war ja immer Entwicklung zu sehen. Schriftbild und Inhalt wurden dem Zeitgeist angepasst. Die Themen waren vielfältig - von Kirchenpolitik über gesellschaftliche Entwicklungen bis hin zu Literaturempfehlungen sowie saisonalen Rezepten.

Besonders die Beiträge rund um den Glauben habe ich geschätzt, die Bibelforschung, die neue Serie zu "Meine wichtigste Bibelstelle" und die "Briefe von Eva & Co.".

Der Titel "Frau und Mutter" war für viele Mitglieder nicht mehr stimmig, klang verstaubt und nach alten Rollenbildern. Besonders junge Frauen wünschten sich schon länger einen frischeren, aktuelleren Namen. Es gab immer wieder einen Anlauf, sogar mit Mitgliederbefragung. Jetzt ist es geschafft.

Besonders junge Frauen wünschten sich schon länger einen frischeren, aktuelleren Namen."

Was bedeutet die Veränderung des Titels in den Verband hinein, aber vielleicht auch nach außen?

Heil: Frauen aus den verschiedensten Lebenssituationen sollen sich noch mehr als heute vom Verband angesprochen und bei der kfd zu Hause fühlen können. Dabei ist mir sehr bewusst, dass ein neuer Name auch immer Abschied vom Alten, Vertrauten und vielleicht auch Geliebten ist. Deshalb wollen wir den Prozess langsam gestalten und haben für den Übergang den Titel gewählt, "Frau und Mutter" hat jetzt einen Namen: "Junia".

Mit "Frau und Mutter" durch die Jahrzehnte.
Ein Rückblick.

Wuckelt: Sicherlich werden Frauen sowohl den Titel als auch das, was sie damit verbinden, vermissen und die Änderung des Titels betrauern. Daher ist es gut, dass "Frau und Mutter" eine Zeit lang noch im Titel geführt wird.

Die anderen werden froh sein, dass dieser doch als "altbacken" und weltfremd empfundene Titel verschwindet. Diejenigen, die die biblische Junia nicht kennen, werden den Klang des Namens gut finden, aber auch neugierig werden und fragen, was sich dahinter verbirgt.

Ich glaube, die meisten, denen die biblische Junia bekannt ist, werden sich darüber freuen, ihre Erwartungen an Veränderungen in unserer Kirche zugunsten von Frauen bestätigt sehen und neue Hoffnung schöpfen.

Von Palubicki: In den Verband hinein sehe ich die Ermutigung an uns Frauen, unseren Glauben, den wir an vielen Stellen im Alltag auf die unterschiedlichste Weise leben, auch ins Wort zu bringen, zu verkünden ... Als Apostelin war für Junia diese Verkündigung zusammen mit ihren Weggefährten selbstverständlich. Das sollte auch für uns heute so sein.

Warum ist "Junia" eine richtig gute Wahl?

Heil: "Junia" ist aus biblischer, gestalterischer und auch frauenpolitischer Sicht die richtige Wahl ? als Apostelin, als wohlklingender, moderner Name und als Synonym für alle Frauen, denen man Namen und Identität, Gesicht und Lebensgeschichte genommen hat.

Wuckelt: Weil sie als Apostelin Frauen religiöses Selbstbewusstsein geben kann und mit ihrer Geschichte für all die Frauen steht, die ausgegrenzt, unsichtbar gemacht, diskriminiert, diffamiert, klein gemacht, missbraucht wurden - in Kirche und Gesellschaft. Und weil sie für die Kompetenz und die Solidarität von Frauen steht, die einander stützen und aufrichten, sich für die "Wiedergutmachung" und Rehabilitation von Frauen einsetzen.

Junia kann für uns Frauen in der katholischen Kirche zur Symbolfigur werden."

Von Palubicki: Der Name Junia tauchte jahrhundertelang in der Bibel in der männlichen Form auf. Erst in der neuen Übersetzung in gerechter Sprache wurde Junias wieder zur Frau. So kann Junia für uns Frauen in der katholischen Kirche zur Symbolfigur werden. Noch immer wird uns Frauen die Weihe verweigert, sie ist den Männern vorbehalten. Als ob nur diese zur Verkündigung berufen seien. Es fehlt die weibliche Auslegung ... zumindest an zentraler Stelle in der sonntäglichen Eucharistiefeier.

In Jesu Gefolgschaft befanden sich jedoch auch Frauen, ihre Namen werden teilweise nicht einmal genannt. Die Bibel entstand in einer patriarchalen Gesellschaft. Aber Jesus hat Frauen wertgeschätzt, einen anderen Umgang vorgelebt. Das ist die Botschaft, die wir heute weitertragen können und wollen.

Wen würden Sie selbst einmal gerne für die "Junia" interviewen?

Heil: All die Kirchenmänner, die heute noch glauben, leugnen zu können, es hätte eine Junia gegeben, und die heute noch glauben, sie könnten Frauen einen von ihnen ausgesuchten Platz in Kirche und Gesellschaft zuweisen.

Wuckelt: Die Genderforscherin Helga Kohler-Spiegel, die auch Theologin und Psychotherapeutin ist. Den Theologen Michael Theobald zum Thema Apostolizität und Macht. Und gerne auch eine Künstlerin, zum Beispiel eine junge, nicht kirchlich gebundene Frau, die erläutert oder auch umsetzt, wie sie Junia darstellen würde.

Von Palubicki: Unseren Bischof Heiner Wilmer. Ich möchte ihn fragen, wie er in unserem Bistum Hildesheim dafür sorgen wird, dass Frauen an zukunftsweisenden Entscheidungen stärker beteiligt werden. Und ob er bereit wäre, berufene Frauen zu Diakoninnen zu weihen ...

Was wünschen Sie dem Team von "Junia"?

Heil: Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit der neuen "Junia" eine noch größere Bindungswirkung unter uns kfd-Frauen erreichen, als es in den Jahrzehnten zuvor der "Frau und Mutter" gelungen ist.

Wuckelt: Mut, Kreativität und die Gabe, keine von denen, die "Frau und Mutter" vermissen, "auf der Strecke" zu lassen.

Von Palubicki: Ebenfalls Mut und Kreativität, denn die braucht es auch für die "innere" Umgestaltung. Es wird darum gehen, den durch den neuen Titel signalisierten Aufbruch in eine neue Ära auch in der Gestaltung und den Inhalten des Magazins erlebbar zu machen.

Stand: 24.11.2020