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100 Jahre Frauenwahlrecht - 100 Jahre Frauengeschichten

Seit Frauen am 19. Januar 1919 erstmals wählen durften, haben sie sich nicht mehr von ihrem Weg zu mehr Selbstbestimmung abbringen lassen. In dieser Serie stellen wir starke Frauen aus zehn Jahrzehnten vor, die Politik, Gesellschaft und Kirche prägten und für Freiheit, Glauben und Gleichberechtigung eingetreten sind. Alle historischen Frauenporträts im Überblick

Folge 4: Lore Lorentz (1920-1994)

 

"Wir dürfen die Demokratie nicht verplempern"

Sie war eine Grande Dame des deutschen Kabaretts: Lore Lorentz. Zusammen mit ihrem Mann Kay gründete sie im Jahr 1947 das Düsseldorfer Kom(m)ödchen - und stand bis zu ihrem Tod 1994 quasi ununterbrochen auf der Bühne. Zeitlebens wütend auf "die da oben", zielte sie mit kunstvoll gespitzten Pfeilen auf die Politik.

Von Isabelle De Bortoli

Die Geschichte, wie Lore Lorentz auf die Kabarettbühne kam, fand sie selbst immer so kitschig, dass sie sie kaum erzählen mochte: Lore, geboren 1920 in Mährisch-Ostrau, saß nämlich eines Abends an der Kasse des Theaters eines Freundes, als die Diseuse absagte.

Lore sprang ein, übernahm auch noch einen Tanz-Part, und "wenn ein Löwe zu spielen gewesen wäre, hätte ich den auch noch gemimt", erinnert sie sich 1985 in einem Interview mit der "Zeit".

Am Ende des Abends jedenfalls die Erkenntnis: "Es wäre nicht aufzuhalten gewesen. Was immer ich gemacht hätte, irgendwann wäre ich auf der Bühne gelandet." Und dort blieb sie, wurde zum Star ihres eigenen Kabaretts.

Denn nach dem großen Erfolg auf der fremden Bühne entschieden sich Lore und ihr Mann Kay Lorentz, ihr eigenes Theater zu gründen - im Hinterzimmer einer Kneipe, mit Vorhangstoff und zwei Lampen, die sie sich auf dem Schwarzmarkt ertauschten, mitten in den Trümmern Düsseldorfs, ohne Theaterkenntnisse, und das, obwohl sie eigentlich auswandern wollten.

Positiv dagegen

Kennengelernt hatten sich die beiden - auch das eine schicksalshafte Geschichte - in einem Hörsaal der Berliner Humboldt-Universität, in dem der Student des Arabischen und die Geschichts-Studentin eigentlich nichts zu suchen hatten. Es handelte sich nämlich um ein Seminar zum Thema "Publizistik in den USA", in dem sie sich verliebten.

1944 heirateten sie schließlich. "Eine kolossale Hoffnung" habe nach der Heirat und nach Kriegsende in ihnen gesteckt, erinnerten sich Kay und Lore Lorentz gerne. Auswandern fanden sie nun feige, sie wollten helfen, das Land aufzubauen.

Auf der eigenen Kabarett-Bühne wurde Lore bald der unangefochtene Mittelpunkt und Publikumsliebling. Bis 1983 war sie Teil des Ensembles, anschließend bestritt sie Soloprogramme. Sie zählte zu den bedeutendsten Figuren des politisch-literarischen Kabaretts, und das
Kom(m)ödchen wurde die kritische Begleitstimme der Politik und Zeitgeschichte.

Lore Lorentz war und blieb zeitlebens wütend auf "die da oben", gegen das zu kämpfen, was scheinbar nicht zu ändern ist, war ihr Lebenselixier. "Resignation kann man sich nicht leisten", sagte sie 1985, "gerade jetzt nicht, wo die es darauf anlegen, dass man resigniert".

Lore Lorentz regte sich gerne auf, jeden Abend aufs Neue, über dreiste, dumme, korrupte oder auch nur mittelmäßige Politiker. "Positiv dagegen", der Titel des ersten Programms von 1947, blieb immer die Grundhaltung des Theaters. "Wir dürfen die Demokratie nicht verplempern" war Lore Lorentz' Grundsatz.

"So lange ich noch Lores wütende Schreie aus ihrer Garderobe höre, wenn sie die Tagesschau sieht, so lange ist alles in Ordnung", sagte Kabarettist Thomas Freitag einmal über seine Kollegin.

Bald schon gehörte es für die politische Prominenz Bonns und die Düsseldorfer Schickeria zum guten Ton, das jeweils neueste Kom(m)ödchen-Programm zu sehen - und dort hörten sie genau das, was sie eigentlich nicht hören wollten.

Kultiviert, mit österreichischem Akzent und rollendem "R", stand Lore Lorentz dann auf der Bühne, die Unschuld in Person, und dabei kunstvoll gespitzte Pfeile abschießend. Ihre scharfe Zunge war nicht nur auf der Bühne gefürchtet, gekonnt harmlos verpackt, setzte sie gezielte Stiche.

Lore Lorentz schrieb ihre Texte nie selbst - das erledigte in den Anfangsjahren ihr Mann Kay, später dann ein größeres Autorenteam für sie. Doch viele Ideen stammten von ihr, außerdem liebte sie es zu improvisieren.

Sie setzte in ihren Texten kunstvolle Pausen - und bewies damit immer wieder ein exzellentes Gefühl für Timing, für das Publikum und Kritiker sie liebten. In einer von Männern dominierten Disziplin war Lore Lorentz der Star, ihre Texte und Programme sind heute so aktuell wie damals. Auf der Kom(m)ödchen-Bühne wurden Harald Schmidt und Hanns Dieter Hüsch, Matthias Richling und Volker Pispers groß.

Das Kreuz der Regierung sein

Das permanente Zusammensein mit Ehemann Kay - zu Hause in Düsseldorf-Oberkassel oder in der Altstadt im Theater - strapazierte durchaus die Harmonie. Dabei war ihr Mann Lores größte Stütze: Er handelte Verträge aus, hielt Händchen bei Lampenfieber und war ihr wichtigster Kritiker: "Mir können tausend Leute sagen, Sie waren hervorragend, wenn Kay nicht sagt, du warst gut, glaube ich es nicht", sagte Lore Lorentz.

Und auf die Frage, wo sie am liebsten leben würde, antwortete sie in einem Interview: "Egal wo, Hauptsache, Kay ist dabei." Wie es den vier Kindern mit den schwer beschäftigten Eltern erging, kann nur gemutmaßt werden. Von Lore ist immerhin überliefert, dass sich beide über jedes Kind "unbändig gefreut" hätten.

1976 sollten Kay und Lore Lorentz übrigens das Bundesverdienstkreuz bekommen, lehnten dies aber "mit freundlich-dankbarer Entschiedenheit" ab. Man wolle "das Kreuz der Regierung nicht haben, sondern es sein". Von 1976 bis 1978 war Lore Lorentz zudem Professorin an der Folkwangschule in Essen, wo sie Chanson, Song und Musical lehrte.

1993 kehrte sie nach dem Tod ihres Mannes ans Kom(m)ödchen zurück, um dessen Leitung zu übernehmen. Doch nur 13 Monate später starb sie an den Folgen einer Lungenentzündung am 22. Februar 1994 in Düsseldorf.
Das Kom(m)ödchen wird heute von Sohn Kay weitergeführt.

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Stand: 27.03.2019