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Die Kaffeefrauen von Ruanda

Ruanda, das kleine Land in Ostafrika, gilt mit seinen über 60 Prozent Frauen im Parlament als Vorzeigeland, bekommt viel Lob, belegt in Sachen Gleichstellung Spitzenplätze im weltweiten Vergleich. Doch das hatte einen hohen Preis.

Von Saskia Bellem

Das Jahr 2019 ist ein besonderes für Ruanda. Das ganze Land steht im Zeichen des Gedenkens. Überall ermahnen Plakate, die Gräuel von 1994 nicht zu vergessen. Denn vor 25 Jahren erschütterte ein Genozid die Nation, bei dem die Mehrheitsbevölkerung der Hutu die ethnische Minderheit der Tutsi zum Feindbild erklärte - und in hundert Tagen eine Million Menschen ermordete.

Ruandas Gleichstellungserfolge beruhen also nicht nur darauf, dass Männer freiwillig oder per Gesetz Macht und Teilhabe an Frauen abgaben. Es waren schlicht zu wenige Männer übrig, nun mussten die Frauen ran, die oft auf einen Schlag alleine dastanden: verwitwet, ohne Einkommen, ohne Perspektive.

Kaffeebäuerin Laurence Mukakagera, 54, ist eine von ihnen. Sie wohnt in einem Dorf in den Bergen, 60 Kilometer von der Hauptstadt Kigali entfernt, zwei Fahrtstunden über schlaglochreiche Staubpisten.

Ihr Haus steht an einer Kurve, an der vorbei sich eine rotbraune Sandstraße bis zum Horizont durch dicht bewachsene Hügel windet. Bergkuppen in allen Grünschattierungen stoßen an eine Nebeldecke - wie ein impressionistisches Ölgemälde liegt die Landschaft da, geprägt durch die Nähe zum Äquator und zwei Regenzeiten pro Jahr.

Laurence baut dieses Haus seit über 20 Jahren wieder auf, genau an der Stelle des alten Hauses. Dort wurde 1994 ihr Mann im Zuge des Genozids verbrannt - vor ihren Augen und denen ihrer Kinder. Sie sitzt in ihrem Wohnzimmer unter dem riesigen Rosenkranz auf dem Sofa mit den hölzernen Armlehnen, unter den Füßen ein Boden aus gepresster roter Erde.

Laurence zeigt an die Decke und sagt leise: "Immer, wenn etwas Geld übrig ist, baue ich weiter. Hoffentlich kann ich bald das Dach fertigstellen, es ist noch immer nicht dicht." Viel Geld ist es nicht, das am Monatsende übrig bleibt - mit zwölf Euro Gewinn muss sie gut überlegen, ob es wirklich für Dachschindeln reicht.

1999: Meilenstein für die Gleichstellung

Kaffeebäuerinnen sind ein recht junges Phänomen im Land. Vor dem Genozid durften Frauen per Gesetz weder erben noch Land besitzen. Erst das neue Vererbungsrecht von 1999 hob dieses Verbot auf - ein Meilenstein für die Gleichstellung.

Mehr als 90 Bäume besitzen Kaffeebäuerinnen selten, daraus wird im Alleingang kein Kaffee. Daher organisieren sie sich in Kooperativen wie Dukunde Kawa ("Lasst uns Kaffee lieben"), hier werden ihre roten Kaffeekirschen sortiert, geschält, mehrfach gewaschen und vier Wochen lang getrocknet. Alle weiteren Schritte wie rösten, mahlen und verpacken, Vertrieb und Marketing übernimmt ein Kooperativen-Dachverband unter Leitung von Angelique Karekezi.

Angelique ist eine 39-jährige Managerin mit fünf Kindern und Zahnlücken-Lachen. Sie kommt aus einer Familie von Kaffeebauern und ist seit 2003 beruflich im Kaffee-Bereich tätig.

Frauen müssen ermächtigt werden! Sie brauchen einen Anschub."

Innerhalb dieses Dachverbandes gründeten Frauen ein eigenes Netzwerk, "Rambagira Kawa" ("Möge der Kaffee gedeihen und sich ausbreiten"), um Austausch und mehr Mitsprache in der Kooperative zu haben.

Mitglied werden können nur Frauen, dazu müssen ihre Männer Kaffeebäume und einen halben Hektar Land abtreten. Angelique findet das wichtig. "Frauen müssen ermächtigt werden! Sie brauchen einen Anschub."

Angelique hat den passenden Plan: Im Teeland Ruanda ist der Markt für Gourmet-Kaffee zu klein, aber ein reiner Frauenkaffee soll international den Markt erobern als fixfertiges Produkt. Und mit Fairtrade-Siegel, denn das sichert einen gerechteren Mindestpreis unabhängig vom Weltmarkt und ermöglicht mit zusätzlichen Bonuszahlungen Weiterbildungen, Kinderbetreuung oder Baumaßnahmen.

Der Plan geht auf. Vertrieben durch einen deutschen Partner produzieren die 260 Mitglieder im Netzwerk nun Ruandas ersten Kaffee aus Frauenhand: "Angelique's Finest" ist ein sortenreiner Bourbon-Arabica, vor Ort angebaut, gefertigt und abgefüllt. Selbst die Verpackung hat eine ruandische Grafikerin designt.

Sicherheit durch Fairen Handel

"Die Bäuerinnen identifizieren sich so noch mehr mit ihrem Produkt. Es macht sie stolz, dass der internationale Markt diesem Produkt vertraut." Es verändere die Haltung der Frauen, so Angelique. Die Sicherheit durch den Fairen Handel und der Zusammenhalt im Netzwerk zeigen Wirkung.

"Man kann diese Veränderung sogar sehen! Die Bäuerinnen sind selbstbewusster und bringen sich aktiv ein. Und das verändert die gesamte Kooperative und die Einstellung der Männer." Wenn die sähen, wie vorteilhaft ein weiteres Einkommen für die ganze Familie sei, verstummten auch die letzten Zweifler.

Zunächst wollte Angelique ihren Name nicht auf der Verpackung sehen, wollte "nicht im Mittelpunkt stehen". Die überzeugte Katholikin trägt einen Silberreif mit Gravur "Jesus" am Handgelenk.

"Mein Glaube hilft mir, anderen zu helfen. Vor allem denen, die am meisten Hilfe brauchen, um ihr Leben zu verändern. Wenn nur eine Frau davon profitiert, dass ich meinen Namen hergebe, und sie dadurch eine bessere Zukunft haben kann, lohnt es sich schon." 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Journalistinnenreise nach Ruanda im Mai 2019 auf Einladung von Fairtrade Deutschland / TransFair e.V.

Der Kaffee Angelique's Finest ist im Online-Shop der Drogeriekette dm oder direkt erhältlich unter www.kaffee-kooperative.de

kfd-Kaffee: Die kfd vertreibt seit vielen Jahren den fairen "kfd-Kaffee" über den Online-Shop El Puente https://shop.el-puente.de/

Stand: 26.03.2019