Wie Musik verbindet
Mit ihrer Schwester Sarah hat Vera Klima ihr halbes Leben lang Musik gemacht. Diese besondere Bindung hat die Musikerin in einen Song gepackt. In "Schwesterherz" singt sie über die Liebe zwischen Geschwistern und ihren einzigartigen Weg. Ein Gespräch über Mutterliebe, Musik, Heimatverbundenheit und wie es ist, alleine auf der Bühne zu stehen.
Von Nadine Diab
Junia: Vera Klima, im vergangenen Jahr sind Sie Mutter einer Tochter geworden. In unserem Gespräch geht es auch um die Familie, insbesondere um die Beziehung unter Schwestern. Wie hat das Muttersein Ihr Leben verändert?
Vera Klima: Ich habe eine neue "Liebe" kennengelernt: die bedingungslose Mutterliebe. Und auch einen neuen "Sinn", den ich vorher nicht kannte. Wenn meine Tochter mich anlacht, ist mein Herz komplett gefüllt mit Glück, und ich habe das Gefühl, angekommen zu sein. Das klingt jetzt vielleicht alles sehr kitschig, aber so ist es einfach. Natürlich gibt es auch "anstrengende" Seiten: der Schlafmangel und auch die fehlende Zeit für sich selbst - für meine Musik zum Beispiel. Aber trotzdem würde ich nie "zurück" wollen in mein Leben ohne Kind!
Eine besondere Beziehung haben Sie auch zu Ihrer Schwester Sarah. Mit ihr haben sie die Band Klima gegründet. Wie alt waren Sie da und wie kam die Idee dazu?
Wir sind in einem sehr musikalischen Haushalt aufgewachsen. Musik war also schon immer Teil unseres Lebens. Insofern hatte keiner so wirklich die "Idee", eine Band zu gründen - es hat sich einfach so entwickelt. Jede von uns durfte ab dem Kindergartenalter ein Instrument lernen. Sarah Klavier und ich Geige. Das haben wir dann irgendwann "zusammengefügt" und auch angefangen, zusammen zu singen. Unser Dad spielt Gitarre und singt, und so ist irgendwann die Band "Five Alive" entstanden. Später, als wir angefangen haben, deutsch zu texten, wurde daraus "Klima".
Ihre Schwester und Sie: Was sind Ihre Gemeinsamkeiten neben der Musik und was sind Unterschiede?
Ich würde sagen eine große Gemeinsamkeit ist neben der Musik, dass wir beide "Familienmenschen" sind, auch sehr heimatverbunden. Keine von uns hat es bisher so richtig in die "weite Welt" hinausgezogen. Natürlich ist zwischen uns nicht immer eitel Sonnenschein. Ich denke, das wäre dann keine "normale" Schwesternbeziehung. Wenn man sich so nah ist, dann kracht es auch hin und wieder richtig - schon aus dem Grund, weil man keine "Hemmungen" voreinander hat und sehr ehrlich zueinander ist. Und man sich vielleicht auch öfter mal in Konkurrenz zueinander setzt.
Ihren ergreifenden Song "Schwesterherz" durfte ich live auf der Loreley erleben und er berührt jedes Mal aufs Neue. Jede Zeile ist eine Liebeserklärung. Wie ist dieser Song entstanden?
Der Song ist zu einer Zeit entstanden, als es meiner Schwester nicht gut ging. Ich hab mir große Sorgen um sie gemacht und mir ist bewusst geworden, was für ein wichtiger Mensch sie für mich ist. Das wollte ich ihr in einem Lied sagen. Ich habe ihn nicht innerhalb von einer Stunde oder so an einem bestimmten Ort geschrieben, die Ideen kamen mir an vielen Orten und immer wieder habe ich ein paar Zeilen aufgeschrieben. Am Ende fügte sich das Puzzle zusammen, als ich gerade bei meinen Eltern zu Besuch war.
Schwesterherz
Ich muss es nicht sagen, weil du es schon weißt
Wenn alles sich ändert, bist du das, was bleibt
Unter Tausenden find' ich dich blind
Egal, was sein wird, egal, was war
Meine Gedanken sind bei dir an jedem Tag, denn
Ich seh' dich immer noch so wie ein Kind
Und ich halt' dich fest
Wenn du dich nicht mehr kennst
Ich teil' mit dir deinen Schmerz
Schwesterherz
Schwesterherz
Du bist mein Spiegel, wenn ich mich nicht mehr find'
Und du bist der Ausweg, aus diesem Labyrinth
Und du bist die Stille, in all diesem Lärm
Und wenn du aufgibst auf diesem Weg
Dann werd' ich dich tragen, so lange es geht, denn
Ich seh' dich immer noch so wie ein Kind
Schwester, ich halt' dich fest
Wenn du dich nicht mehr kennst
Ich teil' mit dir deinen Schmerz,
Schwesterherz
Wir werden uns lieben und hassen,
Festhalten, loslassen
Alles riskieren, uns immer wieder verlieren,
Verändern und bleiben,
Geschichten schreiben,
Das Leben verprassen
Und unsere Spuren hinterlassen
Ich halt' dich fest
Wenn du dich nicht mehr kennst
Ich teil' mit dir deinen Schmerz
Schwesterherz
Schwesterherz
Ich halt' dich fest
Wenn du dich nicht mehr kennst
Ich teil' mit dir deinen Schmerz
Schwesterherz
Schwester, ich halt' dich fest
Wenn du dich nicht mehr kennst
Ich teil' mit dir deinen Schmerz
Schwesterherz
Schwesterherz
In "Schwesterherz" heißt es beispielsweise: "Unter Tausenden find ich dich blind". Ist das so? Hat man zur Schwester eine andere Bindung als beispielsweise zu einer guten Freundin?
Ich denke dadurch, dass man als Geschwister wirklich von klein auf zusammen aufwächst, hat man eine "andere" Art von Bindung als zu einer Freundin, ja. Sie ist einfach noch "purer" und unverfälschter, denke ich, weil man vor seinen Geschwistern wahrscheinlich komplett unverstellt ist.
Man kennt sich eben in- und auswendig. Auf der Bühne zum Beispiel haben wir uns total blind verstanden - wenn die eine einen falschen Text singt, singt die andere automatisch mit - fast telepathisch. Aber diese Nähe gibt es vielleicht auch zwischen Freundinnen. Man kann es wahrscheinlich nicht miteinander vergleichen und jede Art von Beziehung ist auf ihre Weise gut.
2016 hat sich Ihre Schwester entschlossen, die Band zu verlassen. Seitdem sind Sie solo unterwegs. Warum und wie hat sich das angefühlt für Sie?
Meine Schwester ist diesen musikalischen Weg manchmal mehr für mich als für sich selbst gegangen. Das hat sie 2016 realisiert und ihre Konsequenzen gezogen. Auf der Bühne zu stehen, bedeutet auch Druck - man muss das wirklich wollen, und zwar für sich selbst. Ich denke, meine Schwester hat irgendwann für sich herausgefunden, dass sie das nicht mehr will. Außerdem hat sie ein Baby bekommen, womit für sie auch ein neuer Lebensabschnitt begann.
Für mich war das natürlich ein schwerer Schlag. Ich habe 18 Jahre mit ihr auf der Bühne gestanden und fühlte mich zunächst mal sehr verloren ohne sie. Aber mit der Zeit habe ich mehr Vertrauen in mich selbst gefasst und mir bewiesen, dass ich es auch alleine kann. 2019 habe ich dann zum ersten Mal in meinem Leben Konzerte komplett solo gespielt - auch ohne Band. Das war für mich eine Erfahrung, die mich auf jeden Fall stärker gemacht hat. Auch wenn ich es oft vermisse, mit ihr zu singen.
Mehr als ein Jahr mit dem Corona-Virus liegt nun hinter uns allen. Wie haben Sie als Künstlerin diese Zeit wahrgenommen?
Als Künstlerin hat mich diese Zeit resigniert. Die versprochenen "unbürokratischen" Hilfen haben immer irgendeinen "Haken". Wir verdienen seit fast einem Jahr keinen Cent mehr. Die Konzerte wurden immer wieder verschoben. Immerhin konnte ich ein paar Mal live und online spielen. Die Situation lässt mich sehr sorgenvoll in die Zukunft blicken. Ich denke, wir werden uns einen anderen Beruf suchen müssen, außer die Regierung rettet nicht nur Fluggesellschaften, sondern auch endlich die Kulturbranche.
Lassen Sie uns einen Blick in die Glaskugel wagen. Sie und Ihre Schwester sitzen als alte Damen am Strand und lassen einen wunderschönen Tag ausklingen. Wie könnte der ausgesehen haben und wie blicken Sie an diesem Abend auf Ihre Vergangenheit zurück?
Ich würde mal sagen, wir hatten einen schönen Tag am Strand, haben viel gelacht und uns gegenseitig Geschichten von früher erzählt. Auf unsere Vergangenheit blicken wir zufrieden. Die ganze Familie war da, unsere Kinder - unsere Enkel - vielleicht wurde auch musiziert - das wäre schön.