Für Frauen in der Kirche
Violinistin Franziska Strohmayr ist 1.200 Kilometer weit von Augsburg nach Rom geradelt, um mit Musik eine wichtige Forderung zu transportieren: Die nach der Öffnung der Weiheämter für Frauen.
Von Isabelle De Bortoli
Es war ein Biathlon der anderen Art: Statt Skilaufen und Schießen kombinierte Franziska Strohmayr für ihren Kultur-Biathlon in diesem Sommer Fahrradfahren und Musik. Von Augsburg aus brach sie mit dem Fahrrad auf Richtung Österreich und Italien, ihr Ziel: Rom. Auf dem Weg dorthin spielte die 32-Jährige 14 Konzerte mit Musik von Bach und Paganini. Und vermittelte dabei eine wichtige Botschaft: „Musik ist mein Ausdrucksmittel und meine Sprache, durch die ich zu allen Konzertbesucherinnen, Würdenträgern in der katholischen Kirche und zu Gläubigen auf der ganzen Welt sprechen möchte. Weil nur Männer geweiht werden können, geht viel Potenzial in der katholischen Kirche verloren. Ich sehe die großen Chancen, die in einer Öffnung der Weiheämter für Frauen stecken! Dafür braucht es Gleichberechtigung statt Ausgrenzung. Jetzt ist die Zeit, in der sich etwas verändern kann.“
Ich war überrascht, wie gut die Geige die Höhenunterschiede, die Hitze und Feuchtigkeit vertragen hat – besser als ich
Zwischen 11 und 104 Kilometern waren die jeweiligen Tagesetappen lang, die Franziska Strohmayr mit dem Fahrrad fuhr. Abends spielte sie in München, Salzburg und Innsbruck, Bozen und Trient, Bologna, Florenz, Siena oder Montepulciano. Als treue Reisebegleiterin immer mit dabei: Ihre Violine von Antonio Gragnani (Livorno) aus dem Jahr 1759. Musste sie sich um dieses alte und wertvolle Instrument keine Sorgen machen? „Ich war überrascht, wie gut die Geige die Höhenunterschiede, die Hitze und Feuchtigkeit vertragen hat – besser als ich“, schmunzelt Franziska Strohmayr. „Ich habe sie in einem weißen Kasten transportiert, der sie gut vor Sonne und Hitze schützt – und das Instrument hat sogar sein eigenes Regenmäntelchen.“ Auch als Strohmayr, die seit 25 Jahren musiziert, kurz vor Salzburg einen kleinen Sturz hinlegte, blieb die Geige unversehrt.
Dass sich Franziska Strohmayr heute so stark mit der katholischen Kirche auseinandersetzt, hat auch mit ihrem Beruf zu tun: „Ich musiziere sehr oft in Kirchen und habe das auch schon immer gemacht. Dort wurde mir klar, wie wertvoll der Kern des Glaubens doch ist – und wie tolle Menschen in der Kirche arbeiten. Dann hörte ich von den vielen mutigen Frauen, die gegen die Missstände in der Kirche demonstrieren und Geschlechtergerechtigkeit fordern. Ich war an dem Punkt, an dem ich mich fragte: Trete ich aus, oder sage ich jetzt etwas? Ich habe mich für Letz-teres entschieden.“ Und das, obwohl Religion in Strohmayrs Familie kein Thema war. Ihr Elternhaus sei eher irritiert gewesen, als sie sich öffentlich mit Kirche auseinandergesetzt und dazu gesprochen habe, so die Musikerin. „Heute ist es nicht mehr so leicht zu sagen: Ich bin katholisch. Aber ich möchte mit im Kreis stehen. Vielleicht nicht im Inner Circle, aber am Rand, und auch mal Ärger machen dürfen. Und meine Familie hat sich daran auch gewöhnt.“
Wie wichtig ihre Botschaft sei, sei ihr gleich bei Beginn des Kultur-Biathlons klar geworden, als sie ein Konzert in einer evangelischen Kirche in Augsburg spielte: „Ich stand in der Sakristei und wartete auf meinen Auftritt. Da sah ich Fotos der Pfarrerinnen an der Wand: Ihre Ausstrahlung war toll, sie umgab ein Leuchten. Und genau das wünsche ich mir auch für die katholische Kirche: Priesterinnen, die ihrer Berufung nachgehen können.“
Geboren 1990 in Augsburg, erhielt Franziska Strohmayr ihren ersten Unterricht an der Musikschule Mozartstadt Augsburg bei Harry Christian und schloss ihr Studium an der Universität Mozarteum bei Prof. Martin Mumelter und an der Guildhall School of Music and Drama in London bei Prof. Jacqueline Ross mit Auszeichnung ab.
Bekannt wurde Strohmayr durch ihre innovativen Tourneeformate, wie dem Kultur-Biathlon – mit Violine und Fahrrad, bei welchem sie die gesamten Tournee-Strecken auf dem Rad zurücklegt, und durch spartenübergreifende Projekte mit Akrobatik und Lichtinstallationen, die sie organisatorisch und künstlerisch leitet.
Für ihren zweiten Kultur-Biathlon im Jahr 2021 mit dem Thema „Frauen im Land Salzburg“ wurde Strohmayr mit dem Kulturförderpreis der Stadt Salzburg und als Newcomerin von der Landesstiftung PRO SALZBURG ausgezeichnet.
Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, auch das zeigen die Erfahrungen, die Franziska Strohmayr auf ihrer Tour gemacht hat: „Katholische Priester haben das Thema Geschlechtergerechtigkeit sehr gemieden. Oft wurde zwar angekündigt, welche Stücke ich spiele, aber nicht, was das eigentliche Thema meiner Tournee war. Wir redeten also über das Radfahren, über das Reisen – aber nicht über Frauen in der Kirche.“ Vor allem in Rom habe sie in der dortigen deutschen Gemeinde sehr konservative Verhältnisse angetroffen. „Gleichzeitig bin ich aber auch immer wieder Priestern und Ordensleuten begegnet, die der Idee, Frauen in allen Diensten und Ämtern zuzulassen, offen gegenüberstehen. Anders als in Deutschland, wo der Synodale Weg ja in vollem Gange ist, hat man in Italien über diese Frage offenbar noch gar nicht groß nachgedacht.“ Deshalb kann sie sich auch gut vorstellen, die Frauenfrage dezentraler zu betrachten: „Warum sollte man nicht in den deutschsprachigen Ländern Frauen schon zum Priesteramt zulassen, während andere Länder vielleicht sagen: Wir sind noch nicht so weit?“
Persönlich glaubt Franziska Strohmayr fest daran, dass sich in der Frauenfrage noch etwas tun wird. Als kleines Zeichen wertet sie die Zulassung von Frauen in Führungspositionen im Vatikan. „Ich wünsche mir die Gleichberechtigung nicht nur von Frauen und Männern, sondern aller Menschen, egal welchen Geschlechts, welcher sexuellen Orientierung, welcher Herkunft in der katholischen Kirche.“ Als sehr viel größere Aufgabe sieht sie den Abbau von Machtstrukturen: „Diese abzubauen und zu ersetzen durch ein gleichberechtigtes Miteinander ist sehr viel schwieriger, als das Priestertum für Frauen zu öffnen.“
Die Generation K finden Sie auch hier: