Meine Tochter, die Kirche und ich: Die Sache mit der Beichte
Wie lebt es sich als katholische Familie in Zeiten, in denen Skandale die Kirche erschüttern, immer mehr Menschen austreten und immer noch keine Gleichberechtigung herrscht?
An dieser Stelle schreibt die stellvertretende Chefredakteurin der Junia, Isabelle De Bortoli, ab sofort über die aktuellen Herausforderungen rund um Glauben und Kirche. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer 8-jährigen Tochter in Neuss, DV Köln.
Nun war es also soweit: Die Beichte der Kommunionkinder stand an. Ich habe ja schon in meiner ersten Kolumne an dieser Stelle erwähnt, dass ich gerade mit diesem Punkt in der ganzen Kommunionvorbereitung am meisten hadere. Umso gespannter war ich, wie die Gemeinde nun die Erstbeichte genau umsetzen wollte. Zuvor schon hatten sich die Eltern untereinander ausgetauscht: „Eine Kirche, die so viel Schuld auf sich geladen hat, für die sie sich nicht entschuldigt hat, sollte von Kindern keine Entschuldigung erwarten“, sagte eine Mutter. „Wieso müssen Kinder beichten, wenn Erwachsene es auch nie wieder freiwillig tun?“, fragte ein Vater. „Erst- und Letztbeichte“, scherzte jemand.
„Ist es nicht schön, dass ihr euch jetzt bei Jesus entschuldigen könnt, um ihm dann noch näher zu sein?“, fragte der Priester. „Ich habe doch gar keinen Streit mit Jesus“, erwiderte meine Tochter verwirrt.
Vorab gab es einen Gottesdienst, in dem es um das Thema „sich versöhnen“, „sich vertragen“ ging. Eigentlich gut. Auch hatten die Kinder Steine mitgebracht, um diese, symbolisch für Dinge, die sie belasten, in einen Brunnen zu werfen. Es gibt durchaus Gemeinden, die in der Kommunionvorbereitung einen Versöhnungsgottesdient mit allen Kindern feiern, die Steine wegwerfen und es dabei belassen. Bei uns aber ist das Beichtgespräch gesetzt. „Ist es nicht schön, dass ihr euch jetzt bei Jesus entschuldigen könnt, um ihm dann noch näher zu sein?“, fragte der Priester. „Ich habe doch gar keinen Streit mit Jesus“, erwiderte meine Tochter verwirrt. Und dann fielen sie eben doch, die Worte, die mir im Zusammenhang mit Kindern wirklich unerträglich erscheinen: Sünde. Schuld. Sind Kinder denn Sünder*innen?
In unserer Kirche stand seit Beginn der Fastenzeit eine kleine Klagemauer. Darin konnten die Gemeindemitglieder Zettel mit Hoffnungen – aber eben auch mit Dingen, die sie belasten, mit Entschuldigungen – ablegen. „So machen wir das auch mit den Firmlingen“, erzählte mir eine Katechetin. Bitte was? 15-Jährigen wird die Beichte durch dieses Modell erspart? Weil sie sonst vielleicht gar nicht mehr zum Firmunterricht kommen würden? Aber von 8- und 9-Jährigen verlangt man ein Gespräch über Dinge, die ihnen ohnehin schon unangenehm sind, mit ihnen völlig fremden Männern?
Ich frage mich: Was erwarten die Priester denn, da zu hören? Sind Dinge wie „Ich habe meinen kleinen Bruder geärgert“ oder „Ich habe meine Freundin nicht mitspielen lassen“ wirklich Sünden, die für das Christ*innen-Werden zu beichten von Bedeutung sind?
Denn so lief die Beichte letztendlich ab: Vier Priester des Pfarrverbundes, von denen die Kommunionkinder nur einen vage aus den Familiengottesdiensten kannten – die anderen drei waren ihnen komplett fremd – saßen in der Kirche verteilt. Immerhin ist der Beichtstuhl passé. Zu einem der vieren mussten die Kinder hingehen, sich neben ihn setzen und dann von ihren „Verfehlungen“ berichten. Ich frage mich: Was erwarten die Priester denn, da zu hören? Sind Dinge wie „Ich habe meinen kleinen Bruder geärgert“ oder „Ich habe meine Freundin nicht mitspielen lassen“ wirklich Sünden, die für das Christ*innen-Werden zu beichten von Bedeutung sind? Ich verstehe natürlich, dass es eigentlich darum geht, sich Gott und Jesus anvertrauen zu können. Völlig klar. Aber brauche ich dafür den Priester als Mittelsmann?
Die Kinder werden den Moment der Beichte als den schlimmsten Part der Kommunionvorbereitung empfunden haben. Als lästiges Übel, das man irgendwie mutig durchziehen muss. Bei dem man im Zweifel irgendetwas erfindet, um etwas gesagt zu haben. Keineswegs ist es eine „Erleichterung“ oder „Befreiung“, wie von Priestern, aber eben auch Katechet*innen propagiert. Nächtelang habe ihre Tochter nicht geschlafen aus Angst vor diesem Moment, erzählt eine Mutter. Ein anderes Mädchen kommt schon in Tränen aufgelöst an der Kirche an. Auch meine Tochter berichtet von „Angst im Bauch“. Wie kann Jesus, dessen Freund*innen sie doch sein wollen, so ungute Gefühle für seine Freundschaft verlangen? Tut er nicht, sage ich meiner Tochter. Die Kirche tut es. Und das ist ein Unterschied.