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Meine Tochter, die Kirche und ich

Wie lebt es sich als katholische Familie in Zeiten, in denen Skandale die Kirche erschüttern, immer mehr Menschen austreten und immer noch keine Gleichberechtigung herrscht? 

An dieser Stelle schreibt die stellvertretende Chefredakteurin der Junia, Isabelle De Bortoli, ab sofort über die aktuellen Herausforderungen rund um Glauben und Kirche. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer 8-jährigen Tochter in Neuss, DV Köln. 

LASSET DIE KINDER ZU MIR KOMMEN - ODER DOCH NICHT?

Im Gottesdienst im Rahmen der Kommunionvorbereitung neulich wurde es einem Geschwisterkind langweilig: Nachdem er dreißig Minuten tapfer in der Bank ausgehalten hatte, wälzte sich der Dreijährige im Mittelgang hin und her. Schmunzelnde Blicke der anwesenden Eltern, jaja, hat man alles schon erlebt, verständnisvolles Nicken in Richtung der Eltern des Jungen. Überhaupt: Im Rahmen von Familiengottesdiensten natürlich alles kein Problem, Geschrei, Geflüster, Aufstehen – alles gut. Dieses Bild von Verständnis gegenüber Eltern ändert sich allerdings, sobald man eine normale Durchschnitts-Messe besucht. So kürzlich geschehen mit meiner Freundin und ihrer einjährigen Tochter. Meine Freundin ist sehr gläubig, der Kirchgang ist ihr ein wichtiges wöchentliches Anliegen. Und auch ihre Tochter soll von klein auf Kirche als einen Ort erleben, an dem sie willkommen ist. 

In der Theorie ein hehres Ziel, in der Praxis nicht einfach. Denn: Ein Kleinkind stört. Zumindest den durchschnittlichen Kirchgänger sonntags um 10 Uhr. Die Einjährige krakeelt, lässt Rasseln auf den Boden fallen, schmeißt ihre Trinkflasche runter und möchte am liebsten durch die Kirche laufen, anstatt möglichst ruhig sitzen zu bleiben. Und ja, das nervt offenbar die eine und den anderen. Empörte Blicke treffen die Mutter. Und nun die knifflige Frage: Ist ein Gottesdienst deshalb nicht der richtige Ort für Familien? Beziehungsweise: Sollten Familien nur in extra Familien-Gottesdienste gehen? Schwierig zu beantworten, finde ich, und ich freue mich auf Ihre Einschätzungen, liebe Leserinnen und Leser. Denn einerseits: Kirche braucht Nachwuchs, und spätestens, wenn dieser dem Familiengottesdienst entwachsen ist, lautet die Wahrheit: Kirche ist eben nicht immer ein kreativer und interaktiver Ort. Es gibt nicht permanent ein Rollenspiel, ein Lied mit Choreografie, andere Kinder, die etwas vorlesen. 

Um das zu erkennen, hilft es, auch mal Gottesdienste abseits der eigens für Familien konzipierten Angebote zu besuchen. Andererseits: Warum sollen Kinder Kirche als langweilig erleben? Wenn sie von vornherein keine Lust haben, in die Kirche zu gehen, dort für ihr kindliches Verhalten böse Blicke ernten – wieso sollten sie später freiwillig in den Gottesdienst gehen? Vergangenes Jahr habe ich mit meiner Tochter und einem hübsch geschmückten Palmstock die Messe zu Palmsonntag besucht. Sechs Bänke waren komplett mit Kindern und ihren Palmstöcken gefüllt. Einbezogen in den Gottesdienst wurden sie: null. Denn dieser war nicht als Familiengottesdienst angelegt, und dementsprechend unflexibel agierte das Personal. Die Kinder mit den Palmstöcken um den Altar stellen, um das Vaterunser gemeinsam zu beten – Fehlanzeige! Eine kleine Geste, die durchaus spontan drin gewesen wäre. Stattdessen: Die selbst für Erwachsene schwer erträgliche Passionslesung aus dem Matthäus-Evangelium. Als ich später den für Familien zuständigen Pastoralreferenten ansprach, lautete die lapidare Antwort: Kinder müssen sich auch mal langweilen. 

Ist das so? Kann Kirche sich das noch leisten? 

Ich finde: Nein. Was meinen Sie? 

„Da brachte man Kinder zu
Ihm, damit er sie berühre.
Die jünger aber wiesen die Leute
Zurecht. Als Jesus das sah,
Wurde er unwillig und sagte zu
Ihnen: lasst die Kinder zu mir
Kommen; hindert sie nicht daran!
Denn solchen wie ihnen gehört
Das Reich Gottes. Amen, ich
Sage euch: wer das Reich Gottes
Nicht so annimmt wie ein Kind,
Der wird nicht hineinkommen.
Und er nahm die Kinder
In seine arme; dann legte er ihnen
Die Hände auf und segnete sie.“  

(Markus 10,13-15,
Auch bei Matthäus 19,13-15
Und bei Lukas 18,15-17)

Stand: 24.02.2023