Sorgearbeit gerecht verteilen
Haushalt, Job, Familie – viele Frauen leiden unter dem Berg von Dingen, die sie erledigen und an die sie denken müssen. Der Ständige Ausschuss „Hauswirtschaft und Verbraucherthemen“ der kfd setzt sich dafür ein, dass die umfassende Sorgearbeit gerecht verteilt wird – und dass Hauswirtschaft ernst genommen wird.
Von Isabelle De Bortoli
Das bisschen Haushalt macht sich von allein“ – dieses Lied aus dem Jahr 1977 von Johanna von Koczian ist vielen noch im Ohr. Aber schon damals galt: „Hauswirtschaft ist die Mutter allen Wirtschaftens, die Grundlage der Lebensgestaltung – denn wir alle leben schließlich in einem privaten Haushalt“, sagt Margot Klein, Sprecherin des Ständigen Ausschusses „Hauswirtschaft und Verbraucherthemen“ der kfd. Ein Ziel des Ausschusses sei es, die Bedeutung der Hauswirtschaft ins rechte Licht zu rücken – zumal die Kenntnisse und Kompetenzen der Haushaltsführung in der Gesellschaft stetig weniger würden. „Dadurch entstehen Probleme, unter anderem für die Gesundheit – weil viele nicht mehr wissen, wie man ausgewogen, regional und saisonal einkauft und kocht.“ Gute Hauswirtschaft ermöglicht Struktur, gute Ernährung, eine ausgeglichene Haushaltskasse und schafft ein Heim zum Wohlfühlen und Regenerieren. Neben diesen Aspekten sind weitere Themen des Ausschusses der Verbraucherschutz mit der Aufklärung über Produktsicherheit sowie der Klimaschutz.
Mental Load
Mental Load ist die Last der Verantwortung. Der Begriff bezeichnet die unsichtbaren Aufgaben, das, was man alles im Kopf haben muss. Der Begriff umschreibt, was alles nötig ist, damit beispielsweise überhaupt jemand Mittagessen kochen oderGeburtstag feiern kann. Mental Load ist die Verantwortung im Hintergrund. Ein Beispiel: Ein Familienausflug soll gemacht werden. Wer hat das Ziel ausgesucht? Vielleicht nochmal die Öffnungszeiten gecheckt? Wer hat dran gedacht, Essen und Getränke mitzunehmen? Wer hat Wechselsachen für die Kinder eingepackt? Meistens sind es die Mütter, die all das im Kopf haben müssen. Dazu gibt es einen Test zum Mental Load zu Hause, den Paare machen können, um über das Thema ins Gespräch zu kommen:
Traditionelle Vorstellungen sind, dass vor allem Mütter die Sorgearbeit übernehmen. Dabei zeigen aktuelle Studien: Schon in der Steinzeit wurde sich die Arbeit geteilt.
Der Ständige Ausschuss rückt auch die Wertigkeit und gerechte Aufteilung der Sorgearbeit in den Blick der Öffentlichkeit: „Die Sorgearbeit liegt noch immer überwiegend bei den Frauen. Laut der aktuellen Zeitverwendungserhebung übernehmen Frauen 44,3 Prozent mehr Care-Arbeit und arbeiten insgesamt im Durchschnitt 90 Minuten länger als Männer“, sagt Angelika Brinkers, stellvertretende Sprecherin des Ständigen Ausschusses. In der Gesellschaft ist durchaus ein Stimmungswandel zu bemerken, Frauen wünschen sich mehr Zeit für das Berufsleben und Männer würden gerne mehr Zeit zu Hause verbringen. Der geringere Verdienst der Frauen und ein befürchteter Karriereknick der Männer sprechen aber oft dagegen. „So sind es meistens die Frauen, die den Haushalt heute parallel zu ihrer Berufstätigkeit führen. Sie kümmern sich um Kinder, Angehörige, Haushalt, Ehrenamt. Und haben zusätzlich noch all die Dinge im Kopf, die organisiert und bedacht gehören. Das ist der so genannte Mental Load, die mentale Last, das dauernde Wälzen und Organisieren vielfältiger Aufgaben.“
Ein Riesen-Einschnitt im Leben ist die Familiengründung. Bis dahin sind oft beide Partner vollzeiterwerbstätig. „Traditionelle Vorstellungen sind, dass vor allem Mütter die Sorgearbeit übernehmen. Dabei zeigen aktuelle Studien: Schon in der Steinzeit wurde sich die Arbeit geteilt“, so Margot Klein. „Es könnte so einfach sein: Beide tragen zum Einkommen bei, die Care-Arbeit teilt man sich auf.“
Angelika Brinkers ergänzt: „Beide Partner müssen Kompetenzen im Sorgebereich aufbauen und Verantwortung übernehmen; das heißt für Mütter aber auch: loslassen! Dazu wäre politisch die Ausweitung der Vätermonate ein gutes Instrument, damit beide lernen, Eltern zu werden und Haushaltskompetenzen zu entwickeln.“
Tagungen des Ausschusses
Der Ständige Ausschuss Hauswirtschaft und Verbraucherthemen veranstaltet zwei Mal im Jahr Tagungen zu aktuellen Themen, die jeder und jedem offenstehen. Am 24. und 25. Oktober geht es unter dem Motto „Ökologische Transformation geschlechtergerecht gestalten“ um den 4. Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Ein Mitglied der Sachverständigenkommission gibt bei der Tagung Einblicke in die Arbeit und die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Geschlechtergerechtigkeit.
Mehr unter:
sowie unter
www.kfd.de/staendiger-ausschuss-hauswirtschaft-und-verbraucherthemen
Wie wir zu mehr Gleichstellung durch eine gerechtere Verteilung der Care-Arbeit kommen, dazu hat sich der Ständige Ausschuss Gedanken gemacht und politisch in den Vertretungen platziert: „Tatsächlich stand in den letzten beiden Koalitionsverträgen die Idee, Familien mit einem Gutscheinmodell für haushaltsnahe Dienstleistungen zu entlasten“, sagt Margot Klein. „Allerdings wurde dem Thema von der Politik nicht die gesellschaftliche Bedeutung beigemessen.“ Hinter dem Gutscheinmodell – das übrigens unter anderem in Belgien erfolgreich praktiziert wird – steckt folgende Idee: Wenn zum Beispiel beide Eltern erwerbstätig sind, werden Teile der Aufgaben im Haushalt von professionellen Dienstleistern erledigt. „Das hat viele Vorteile: Zunächst mal wird die Familie entlastet – vor allem alleinerziehende Frauen. Gleichzeitig würden die haushaltsnahen Dienstleistungen professionalisiert und die Menschen, die dort arbeiten, bekämen eine sozialversicherungspflichtige Anstellung samt Rente – ,fair-legal-bezahlbar' fordert die kfd. Leider vollzieht sich die Abwertung der Hausarbeit auch im professionellen Bereich, obwohl es seit über 100 Jahren den Meister-Abschluss für die Hauswirtschaft gibt“, so die beiden Vorsitzenden.
Wir alle, im Privaten, im Erwerbsleben und in der Gesellschaft müssen Sorgearbeit als Arbeit anerkennen und dem Wunsch nach Vereinbarkeit von Care- und Erwerbsleben auch für Männer nachkommen.
Durch professionelle Entlastung und gerechte Zeitverwendung bliebe den Menschen mehr Zeit, sich sozial- und ehrenamtlich zu engagieren, denn: „Nicht nur in der kfd, auch in den Elternvertretungen, in der freiwilligen Feuerwehr oder im Gemeinderat ist zu spüren, dass neben Beruf und Sorgearbeit einfach keine Zeit für das Ehrenamt bleibt“, sagt Angelika Brinkers. „Letztendlich geht es hier um ein Umdenken in unserer Gesellschaft“, meint Margot Klein: „Wir alle, im Privaten, im Erwerbsleben und in der Gesellschaft müssen Sorgearbeit als Arbeit anerkennen und dem Wunsch nach Vereinbarkeit von Care- und Erwerbsleben auch für Männer nachkommen. Denn wir brauchen Menschen, die sich um unsere Kinder, unsere Senioren, unsere Pflegebedürftigen, die Sportvereine, die Kirchengemeinden und Belange des täglichen Lebens kümmern, damit Gesellschaft funktioniert.“
Margot Klein (61), Dipl. Ing (FH) Ernährung und Haushaltstechnik, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, seit über 30 Jahren kfd-Mitglied, seit 13Jahren im Ständigen Ausschuss Hauswirtschaft und Verbraucherthemen, seit 3 Jahren Sprecherin und damit auch Mitglied im kfd-Bundesvorstand
Angelika Brinkers (58), Dipl. Ing. Technologie der Kosmetika und Waschmittel, verheiratet, zwei erwachsene Kinder. Seit über 30 Jahren in der kfd, seit 3 Jahren im Ständigen Ausschuss Hauswirtschaft und Verbraucherthemen, 2024 stellv. Sprecherin