Meine Tochter, die Kirche und ich: Gott hat die Welt gemacht
Wie lebt es sich als katholische Familie in Zeiten, in denen Skandale die Kirche erschüttern, immer mehr Menschen austreten und immer noch keine Gleichberechtigung herrscht? An dieser Stelle schreibt die stellvertretende Chefredakteurin der Junia, Isabelle De Bortoli, ab sofort über die aktuellen Herausforderungen rund um Glauben und Kirche. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer 8-jährigen Tochter in Neuss, Diözesanverband Köln.
„Gott hat die Welt gemacht“ wurde schon im Kindergarten gesungen, genauso wie „Du hast uns deine Welt geschenkt“. In der Grundschule dann wurde zur Schöpfungsgeschichte gemalt: sieben Tage, sieben Bilder. Und auch im Kommunionunterricht, spätestens in der Osternacht: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und nun das schwierige Spannungsfeld, in dem wir uns als Eltern wiederfinden: Der Urknall! Die Evolution! Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um der Schöpfungsgeschichte die Wissenschaft entgegenzustellen? Beziehungsweise: Ist entgegenstellen überhaupt das richtige Wort? Glaube und Wissenschaft möchte ich ja gar nicht gegeneinander ausspielen. Ich möchte eine Gleichzeitigkeit herstellen, was nicht leicht ist, das sei vorab gesagt.
Denn interessanterweise ist es so: In der Grundschule wurde bisher, also bis zur 4. Klasse, nicht über die Entstehung der Welt und der Menschheit gesprochen – nicht außerhalb des Religionsunterrichts. Das heißt also, der kreationistische Ansatz ist mitunter der einzige, den Kinder bis zur weiterführenden Schule vermittelt bekommen. Das finde ich persönlich schwierig.
Bei uns zu Hause stellte sich nun folgende Situation ein: Unsere Tochter interessiert sich sehr für den Weltraum, verschlingt Wälzer um Wälzer rund um Planeten, Rote Riesen, Schwarze Löcher und natürlich: die Entstehung des Universums. Als es neulich im Kindergottesdienst also wieder um die Schöpfungsgeschichte ging, hauchte sie mir ins Ohr: „Aber das Universum ist doch durch den Urknall entstanden?“ Zu Hause entschied ich mich für folgende Erklärung: Ja, das Universum ist durch den Urknall entstanden. Ja, das Leben auf der Erde hat sich aus dem Wasser heraus über Milliarden Jahre entwickelt, und nein, auch der Mensch war nicht plötzlich da, von Gott fertig gestaltet, sondern hat sich im Laufe der Evolution entwickelt. Und: Genesis 1 ist eine Geschichte, weil sich die Menschen früher eben nicht erklären konnten, wie sie auf die Welt gekommen sind, warum es Sterne gibt, Wasser und Land. Und so finden sich in allen Kulturen auf dieser Erde Schöpfungsmythen, weil der Mensch sich eben schon früh fragte, wo er eigentlich herkommt.
Und jetzt kommt ein wichtiges Aber, das ich auch meiner Tochter deutlich gemacht habe: Die Wissenschaft kann eben nicht alles auf dieser Welt erklären. Oder, wie es mir mein Opa mal in einer ähnlichen Diskussion vor Jahrzehnten mit auf den Weg gab: Wir wissen doch eigentlich nichts. Warum hat es den Urknall überhaupt gegeben? Wieso konnte sich der Mensch als einzige Spezies so weit entwickeln, dass sie die Welt nach ihren Wünschen gestalten kann (ob das so gut ist, ist eine andere Frage) – und vor allem: Wieso fühlen wir, warum gibt es die Liebe? All diese Fragen kann Wissenschaft nicht oder nur unzureichend beantworten. All das sind Spuren des Göttlichen, die wir in unserem Leben sehen können, wenn wir es wollen.
Grundsätzlich würde ich mir wünschen, dass sowohl in der Kirche als auch im Religionsunterricht die Schöpfungsgeschichte nicht als alleinige Wahrheit vermittelt wird. Sondern dass die Geschichte von Gott, der Erde und Mensch erschaffen hat, vom pädagogischen Fachpersonal eingeordnet wird in die moderne Wissenschaft. Dann könnte man mit den Kindern diskutieren. Was meinen Sie?