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Jesus ist doch so viel mehr

Svenja Stumpf ist eine der jungen Menschen unter 30, die am Synodalen Weg teilnehmen. Nach den deutlichen Abstimmungen zur Erneuerung der Kirche bei der Synodalversammlung im Februar schwankt sie nun zwischen Vorfreude und Angst: Einerseits Vorfreude darauf, dass die Kirche sich wirklich erneuert. Andererseits Angst davor, dass Rom alle guten Pläne einkassiert. Und dass dann nichts mehr bleibt vom Aufbruch.

Von Isabelle De Bortoli

Natürlich war da Freude, war da Euphorie, als sich die Synodalversammlung Anfang Februar für die Segnung homosexueller Paare, für eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts, für die Zulassung von verheirateten Priestern und für die Weihe von Frauen zur Diakonin aussprach. Svenja Stumpf ist Teil des Synodalen Wegs, die 27-jährige Studentin aus Eichstätt gehört zu den 15 jungen Menschen unter 30, die vom BDKJ ausgesucht wurden, am Erneuerungsprozess der Katholischen Kirche in Deutschland teilzunehmen. Doch nun, wieder zu Hause und im Alltag, ist da auch die Angst vor der Enttäuschung. „Je länger ich dabei bin, desto schwerer fällt es mir auch, meine Motivation hochzuhalten“, gibt Svenja Stumpf zu. „Denn ich investiere Leidenschaft und natürlich auch viel meiner Freizeit in die Erneuerung unserer Kirche. Und was ist, wenn Rom unsere Ideen dann einfach abschmettert? Wenn es keine Relevanz hat, was wir tun? Es ist jetzt entscheidend, was in der Praxis herauskommt.“

Kirche war immer Teil von Svenja Stumpfs Leben. Aufgewachsen im Bistum Stuttgart ging sie ganz klassisch mit den Eltern in die Kindergottesdienste, nach der Kommunion dann der große Wunsch: Ministrantin werden. „Von der Jugendgruppe in meiner Heimatgemeinde aus habe ich mich dann weiter engagiert, Jugendleiter-Kurse gemacht, das Dekanat kennengelernt, Wallfahrten nach Rom mitgemacht. Und dann, mit dem Erwachsenwerden, kam natürlich auch der Moment, wo man sich von seinem kindlichen Glauben verabschiedet und überlegt: Was ist denn Glaube für mich?“ Antworten suchte sie beim BDKJ, wo sie sich als Geistliche Begleiterin ausbilden ließ und als solche über Jahre engagierte. „Hier waren auch kritische Fragen erlaubt. Ich bin grundsätzlich jemand, der sich gerne auch an Fakten hält.“

Das zeigen auch die beiden Studiengänge, die Svenja Stumpf teilweise gleichzeitig absolviert hat: Einerseits ist sie Umweltingenieurin, andererseits hat sie in Eichstätt Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit studiert. „Durch die historisch-kritische Exegese wurde mir klar: Dass, was ich schon immer gefühlt habe, lässt sich auch wissenschaftlich begründen. Beispielsweise die wichtige Rolle der Frauen in Jesu Nachfolge.“

Denn was Svenja Stumpf an der Katholischen Kirche am meisten verzweifeln lässt, ist der Ausschluss von Frauen von der Weihe: „Es kann doch nicht sein, dass nur geweiht wird, wer männliche Geschlechtsmerkmale hat. Jesus ist doch so viel mehr als nur sein Körper. Jesus ist Liebe, Jesus ist Zuwendung, Jesus ist die Botschaft – Jesus ist alles!“

Dieser Absolutheitsanspruch ist nicht länger haltbar. Stattdessen sollte diakonisches Handeln im Mittelpunkt stehen. Genauso wie die Freude und Liebe, die Jesus verbreitet hat. Das Problem ist doch: Die Kirche hat eine wichtige Botschaft. Und es gibt tolle Menschen, die sie vermitteln könnten. Nur all das geht unter, die Botschaft kommt nicht mehr an, viel zu wenige hören noch zu.

Eine geschlechtergerechte Kirche ist Svenja Stumpfs größtes Anliegen, die Dominanz der Männer empfindet sie als schwierig, das Machtgefüge, die Hierarchien. „Natürlich sitzt man beim Synodalen Weg mit den Bischöfen beim Mittagessen zusammen. Und die nehmen einen schon ernst, sie freuen sich, dass junge Menschen dabei sind, sie möchten Gespräche führen, sind an meiner Meinung interessiert. Wenn es dann aber um wirklich handfeste Fragen geht, also die konkrete Umsetzung von Forderungen, dann wird es schnell schwammig. Da kommt einfach zu wenig Konkretes. Beispielsweise sprachen wir über den Film von #OutInChurch und ein Erzbischof sagte: Ich habe mir das gar nicht angeschaut. Ein anderer druckste herum, anstatt zu sagen: Diese Menschen haben recht, und wir ändern jetzt sofort etwas.“

Für meine Teilnahme am Synodalen Weg wurde mir hier schon vorgeworfen, ich sei gar nicht wirklich katholisch.

Neben einer geschlechtergerechten Kirche wünscht sich Svenja Stumpf auch, dass die Kirche ihr Anspruchsdenken, die volle Wahrheit zu kennen, ablegt. „Dieser Absolutheitsanspruch ist nicht länger haltbar. Stattdessen sollte diakonisches Handeln im Mittelpunkt stehen. Genauso wie die Freude und Liebe, die Jesus verbreitet hat. Das Problem ist doch: Die Kirche hat eine wichtige Botschaft. Und es gibt tolle Menschen, die sie vermitteln könnten. Nur all das geht unter, die Botschaft kommt nicht mehr an, viel zu wenige hören noch zu.“

Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen aus ihrem naturwissenschaftlichen Studium hätten schon lange nichts mehr mit der Kirche zu tun. „Sie sind wie Zuschauer und Zuschauerinnen aus der Ferne. Aber sie finden es gut, dass ich etwas an den Strukturen verändern möchte.“ Die Mit-Studierenden aus dem theologischen Studium dagegen geben einerseits Input für den Synodalen Weg – sind andererseits aber auch sehr konservativ. „Das liegt am Studienort Eichstätt“, sagt Svenja Stumpf. „Für meine Teilnahme am Synodalen Weg wurde mir hier schon vorgeworfen, ich sei gar nicht wirklich katholisch.“ Aufgrund ihrer Meinungsstärke und Diskussionsfreude hätten einige Dozierende sie jedoch darin bestärkt, Teil des Synodalen Weges zu sein.

Nachdem sie ihr Doppelstudium erfolgreich abgeschlossen hat, engagiert sich Svenja Stumpf auch in der neuen AG Verantwortungsgemeinschaft des Synodalen Wegs, die sich mit der Verantwortung der gesamten Glaubensgemeinschaft für die Missbrauchsfälle beschäftigen wird. „Das ist ein Thema, für das ich mich auch immer wieder rechtfertigen muss“, so Stumpf. „Wir setzen uns also mit der Frage auseinander, wie wir auch als Nicht-Schuldige dennoch Teil einer Institution bleiben können, die Missbrauchstäter geschützt und Opfer allein gelassen hat.“ Gehen oder bleiben – dass sei natürlich die Frage, die immer unterschwellig in ihrem Kopf sei: „Ich kann ja auch die Gründe, warum man die Kirche verlässt, total gut verstehen. Und ich habe wirklich Angst, dass ich irgendwann an einen Punkt komme, beispielsweise wenn der Synodale Weg vorbei ist und sich nichts tut, wo ich nicht mehr bleiben kann. Ich möchte aber kämpfen, ich möchte etwas verändern. Denn Kirche ist meine Heimat und meine Identität – und die gibt man nicht so einfach auf.“

Die Generation K finden Sie auch hier: 

www.kfd.de/generation-k

Stand: 29.04.2022