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Interview mit Yvonne Bovermann

Die Corona-Pandemie hat Müttern und Vätern viel Kraft abverlangt – genauso wie den Kindern. Nun sieht sich das Müttergenesungswerk – das auch Kuren für Väter und pflegende Angehörige ermöglicht – einer Flut von Kurbedürftigen gegenüber. „Junia“-Redakteurin Isabelle De Bortoli sprach mit der neuen Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks, Yvonne Bovermann, über die aktuellen Herausforderungen.

Frau Bovermann, wie geht es Müttern und Vätern gerade?

Die Eltern sind extrem unter Druck. Sie haben keine Lobby, was sie tun, wird für selbstverständlich genommen. Man hat sie in dieser Pandemie einer Beliebigkeit und Schutzlosigkeit ausgesetzt. Sie sind verletzlich und verwundbar aus dieser Zeit herausgekommen und nun kommt eine Welle der Nachfragen nach Kuren auf uns zu – zumal die Kliniken ja auch über Monate geschlossen waren.

Wie geht es den Müttern und Vätern, die in die Kliniken des Müttergenesungswerks kommen?

Sie kommen kränker an als vor der Pandemie. Heißt, die Krankheitsbilder sind ausgeprägter. Früher waren die Frauen etwa nahe am Burnout. Jetzt sagen die Therapeutinnen und Therapeuten: Die Frauen sind bereits im Burnout, es ist schwerer, ihnen zu helfen. Auch die Kinder seien unruhiger und nervöser. Der ständige Druck, die Zerrissenheit zwischen Familie und Beruf, der Zeitmangel führt bei Eltern zu Nervenzusammenbrüchen, Depressionen, Schlafmangel, Essstörungen, also psychosomatischen Problemen, wie auch zu körperlichen Beschwerden, zum Beispiel im orthopädischen Bereich, oder Haut- und Atemwegserkrankungen. Bei den Atemwegserkrankungen rechnen wir damit, dass künftig auch Patientinnen und Patienten mit Lungenproblemen aufgrund von Long-Covid kommen werden, die ja oft auch stark unter Erschöpfungsproblemen leiden.

Wie voll sind die Kliniken?

Die Ferientermine laufen schnell voll. Aber in unseren Kliniken ist es zu jeder Jahreszeit schön. Es wird sicher Engpässe geben, denn: Die Zahl der kurbedürftigen Eltern ist groß. Schon zu Nicht-Corona-Zeiten gingen wir von 24 Prozent der Mütter und 18 Prozent der Väter aus, die kurbedürftig sind. Das sind über zwei Millionen Menschen – wir haben aber nur 50.000 Plätze. Inzwischen muss man davon ausgehen, dass deutlich mehr Mütter, Väter und pflegende Angehörige kurbedürftig sind und eigentlich nur zum Arzt gehen müssten. 

Wie komme ich an eine Kur?

Die erste Anlaufstelle sind die Beratungsstellen im Müttergenesungswerk. Sie beraten bei allen Fragen rund um die Kur. Dann folgt der Besuch bei der Ärztin oder dem Arzt. Sie stellen das für den Kurantrag nötige Attest aus. Über den Antrag entscheidet die Krankenkasse. Wird die Kur abgelehnt, lohnt es sich dringend zu widersprechen: 75 Prozent aller Widersprüche sind erfolgreich und die Mütter und Väter bekommen doch noch eine Kur. Dabei helfen die Beratungsstellen. Sie klären auch darüber auf, dass die Kurwilligen ein Wunsch- und Wahlrecht haben, also sich die Klinik selbst aussuchen können! Das wissen einige nicht, da die Krankenkassen darüber nicht aufklären müssen. Unsere Einrichtungen sind sehr spezialisiert, für viele Bedürfnisse gibt es eine Klinik, die besonders gut passt. Diese zu finden, dabei helfen die Beratungsstellen.

Was sollte Gesellschaft, was sollte Politik für Eltern, für Kinder in der jetzigen Zeit tun? Was erwartet das Müttergenesungswerk jetzt von der Politik?

Unsere Gesellschaft sollte dafür sorgen, dass Eltern gesund werden und gesund bleiben. Das muss es uns doch wert sein! Wie kann es sein, dass Kliniken für eine Mutter-Kind-Kur beispielsweise 30 Prozent weniger Geld pro Tag bekommen als eine Reha-Klinik für einen Knie-OP-Patienten? Wir reden viel über die gerechte Aufteilung der Care-Arbeit. Aber die Gesundheit derer, die diese Arbeit leisten, muss ebenfalls mehr berücksichtigt werden. Wir müssen uns anschauen, was belastet diese Menschen, was macht sie krank? Und wir müssen ihnen den Zugang zu Maßnahmen, die sie wieder gesund machen können, erleichtern. Das gilt im Übrigen nicht nur für Mütter und Väter, sondern auch für pflegende Angehörige.

Hilfe für Eltern

Wichtigster Ansprechpartner vor und nach einer Kur sind die 300 Beratungsstellen vor Ort, sagt Lucia Lagoda, kfd-Bundesvorstandsmitglied und Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitsgemeinschaft (KAG) Müttergenesung, dem größten Trägerzusammenschluss im Müttergenesungswerk. „Um die wertvolle Arbeit in den Beratungsstellen finanziell sicherzustellen, fordert die KAG Müttergenesung den gesetzlichen Anspruch auf vor- und nachstationäre Beratung und Betreuung.“ Übrigens: Verzögert sich der Beginn einer geplanten Maßnahme (etwa wegen Corona), helfen die Beratungsstellen beim Überbrücken. So kann kurzfristig Entlastung und Stabilisierung geschaffen werden, um die Frauen, Männer und Pflegende in der Wartezeit weiter zu begleiten. 

Rund um den Muttertag findet traditionell die Spendensammlung für das Müttergenesungswerk statt. Mit einer Spende werden Mütter und Väter in schwierigen finanziellen Situationen mit einem Zuschuss für die Kurnebenkosten unterstützt. 

Mehr – auch einen aktuellen Gottesdienstvorschlag zum 
Muttertag – unter: www.kfd.de/muettergenesung

Stand: 29.04.2022