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Berufung lässt sich nicht wegreden

Berufen. Bezeugen. Begeistern. Drei Worte bringen Botschaft und Wirken von Jacqueline Straub auf den Punkt. Die 30-jährige Autorin ist kfd-Mitglied, hat katholische Theologie studiert und gehört zu den bekanntesten Gesichtern der neuen kirchlichen Frauenbewegung, weil sie öffentlich einfordert, katholische Priesterin werden zu dürfen. Junia hat sie zum Interview getroffen.

2018 wurde sie von der BBC zu den 100 einflussreichsten Frauen gewählt. Im dem jüngst erschienen Sammelwerk von Schwester Philippa Rath "Weil Gott es so will" gehört sie zu 150 Frauen, die über ihre Berufung berichten. Im Interview mit Junia-Chefredakteurin Jutta Laege spricht sie über ihre Vorbilder, Hassmails und das Gottesgeschenk der Berufung.

Junia: Was bedeutet es für Sie, Teil des Buches "Weil Gott es so will" zu sein?

Jacqueline Straub: Es war für mich ein echter Glücksmoment. Die Idee zum Buch ist meines Wissens während des Synodalen Weges im vergangenen Jahr entstanden. Schwester Philippa suchte nach Frauen, die über ihre Berufungen Auskunft geben wollen. Die Resonanz war so groß, dass daraus dieses Buch wurde. Ich habe gedacht: Es ist großartig! Ich bin nicht die einzige, die ihre Berufung öffentlich macht. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß.

Sie sind eine junge Frau. Wie geht es Ihnen, wenn Sie von den anderen Berufungsgeschichten und Gleichberechtigungskämpfen - der Älteren - lesen?

So viele Frauen aller Generationen kommen im Buch zu Wort. Das macht Mut für die nächste Generation. Mein ältestes Vorbild ist die Theologin Ida Raming. Sie hat vor 60 Jahren, im selben Alter wie ich, angefangen, für die Frauenordination und die gleichberechtigte Rolle der Frauen in der Kirche zu kämpfen. Sie wurde exkommuniziert, sie ist trotzdem Priesterin (Anm. der Red.: von der katholischen Kirche nicht anerkannt) geworden. Sie hat nicht aufgegeben, ihr ganzes Leben lang geforscht, ihr Wissen in Büchern an uns weitergegeben und jungen Frauen wie mir den Weg geebnet. Ich bin ihr außerordentlich dankbar.

Sie erwähnen in Ihrem Beitrag für "Weil Gott es so will" den feierlichen Akt einer Priesterweihe eines Freundes, in der der Bischof für mehr männliche Berufungen betet. Wie klingt das für Sie mit Blick auf die heutige Kirchensituation?

Das war vor etwa drei Jahren in Österreich, und ich wusste ehrlich gestanden nicht, ob ich vor Entsetzen lachen oder weinen sollte. Angesichts der ja auch damals schon akuten Situation des Priestermangels empfand ich das als unsensibel und respektlos gegenüber Frauen und absolut an der Realität vorbei.

Ich habe mit diesem Freund, einem Ordensbruder, eigentlich auch eher konservativ, später auch darüber diskutiert. Er hat das damals nicht so empfunden. Auch er ist der Meinung, dass man Berufungen nicht einfach wegreden kann.

Serie: Generation K

Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und kirchenfern: Die Serie "Generation K" widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen. Mehr über die Generation K 

Wer ist eigentlich schwieriger zu überzeugen: Männer oder Frauen? 

Ich bin jetzt ungefähr seit zehn Jahren in der Öffentlichkeit unterwegs mit meinem Wunsch, Priesterin zu werden. Ich bekomme sehr viel Unterstützung über die Sozialen Medien und andere Wege. An der Basis sind darunter auch viele Männer, Priester und Diakone. 

Aber es gibt auch Hass und Hetze. Leider muss ich sagen: Die schlimmsten Kommentare kommen von Frauen. Sie sind emotionaler, beleidigender und irgendwie stereotypisch. Eine schrieb mal, meine Bestimmung sei doch, eine aufopfernde Mutter und treue Ehefrau zu sein. Eine andere prophezeite mir, dass ich in die Hölle komme. "Ich bete einen Exorzismus für Sie", hat mir auch mal eine Frau mitgeteilt. Ich habe ihr geantwortet: "Sorry, hat leider nicht geklappt."

Männer machen das anders, oder?

Ja, sie versuchen es mit althergebrachten Auslegungen und Erklärungen, bei denen ich zwar den Kopf schütteln muss, denen ich aber argumentativ begegnen kann. Leider gibt es auch die Sorte sexistischer Kommentare, mit denen ich am Anfang nicht wirklich umgehen konnte. Da hatte ich auch schlaflose Nächte. Damit umzugehen, musste ich erst lernen.

"Meine Berufung ist ein Gottesgeschenk. Gott möchte, dass wir aus unseren Talenten etwas machen. Ich würde ihn verleugnen, würde ich aufhören zu kämpfen."

Ihre Berufungsgeschichte haben Sie mit dem Wort "Brennen im Herzen" beschrieben. Ist die Flamme noch da?

Ja, die Flamme im Herzen ist noch da. Ich glaube auch nicht, dass sie ausgehen wird. Sie ist ja ein Gefühl, manchmal spürt man es mehr, manchmal ist es zurückgesetzt. Ich glaube nicht, dass ich meine Berufung verlieren kann, sie ist Teil von mir, sie treibt mich an, gibt mir Mut, Kraft und Hoffnung.

Auch wenn Sie in absehbarer Zeit Ihr Ziel, Priesterin zu werden, nicht erreichen, machen Sie weiter?

2.000 Jahre wurde Theologie von Männern für Männer gemacht. Aber wir reden von Grundrechten! Heute denke ich: Ich habe jede erdenkliche Auslegung gegen die Frauenordination schon einmal gehört. Ich fühle mich eher bestärkt, im Kampf für die Weihe für alle weiterzumachen.

Natürlich bin ich realistisch. Schnelle Veränderungen sehe ich nicht, wenn ich auf den Vatikan schaue. Ich arbeite also weiter als Autorin und Journalistin und halte mich an den Leitsatz: Du hast keine Chance, nutze sie! Meine Berufung ist ein Gottesgeschenk. Gott möchte, dass wir aus unseren Talenten etwas machen. Ich würde ihn verleugnen, würde ich aufhören zu kämpfen.

Gibt es eine Bibelstelle oder eine biblische Figur aus der Bibel, an der Sie sich orientieren, die Sie durchs Leben trägt?

Tatsächlich ist meine Lieblingsstelle die vom Ostermorgen: Maria Magdalena am leeren Grab Christi. Die frohe Botschaft hat dank ihr überlebt, sie hat sie weitergetragen an die Jünger. Sie hat Jesus erkannt und seinen Hinweis verstanden: Gib Zeugnis ab! Und so sehe ich 2.000 Jahre später meine Aufgabe: Berufen. Bezeugen. Begeistern. 


Stand: 23.02.2021