Stichwort Gott
Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.
Von Julia Pütz
Alina Pfeifer redet über „Gott und ihre Welt“: Als Poetry-Slammerin findet die 23-Jährige für fast jede Lebenslage gefühlvolle Worte, die berühren. Auch im Alltag setzt die studierte Krankenpflegerin und Autorin auf die Macht der Sprache und ihren Glauben. Den „Himmel auf Erden“ spürt sie am Meer.
Wenn Kopf und Herz voll sind, lässt Alina Pfeifer ihren Gedanken freien Lauf. Wort für Wort schreibt die 23-Jährige auf, was sie bewegt: „Die Ideen kommen aus dem Nichts. Manchmal ist es mein beruflicher Alltag, manchmal sind es Beziehungen oder Freundschaften, die mich beschäftigen.“ Auch Glaubensfragen und -zweifel „diskutiert“ sie schreibend aus: „Ich kann es nicht unterdrücken, die Gedanken sprudeln aus mir heraus.“ Etwas in Worte zu fassen, sei eine gute Art, Dinge zu verarbeiten, das Herz auszuschütten und die Seele zu erleichtern.
Für fast jede Lebenslage findet Alina Pfeifer ehrliche, gefühlvolle Worte, die jeder versteht. Denn wer sie hört, der spürt, wie Sprache berührt, der fühlt, wie machtvoll gesprochenes Wort sein kann. Die 23-Jährige ist Poetry-Slammerin – eine moderne Sprachkünstlerin. Sie formt sprechende Wörter, macht Worte, die ausgesprochen gut sind. „Sprache ist in vielerlei Hinsicht ein entscheidendes Instrument. Mir hilft sie, etwas auszudiskutieren und voranzukommen, andere Menschen berührt sie unmittelbar, zum Beispiel in einem Gespräch.“ Dass sie mit ihren Texten, „etwas zustande bringt, das bewegt“, sei ihr oftmals nicht bewusst. „Zu erfahren, dass ich Menschen mit meinen Gedanken erreicht habe, macht mich dankbar.“ Dankbar vor allem gegenüber Gott. „Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft. Und wenn er es nicht gewollt hätte, dann hätte es sich auch nicht so entwickelt.“
Gott ist mein Fels in der Brandung, mein Anker im Alltag.
Alina Pfeifer ist ein „Dorfkind“, wächst in einer christlichen Familie in der Nähe von Gießen auf: „Ich bin mit Gott großgeworden. In unserer Freien Evangelischen Gemeinde war ich in der Jungschar, im Teenkreis, im biblischen Unterricht und bei Freizeiten aktiv.“ Während der Corona-Pandemie suchte die Poetry-Slammerin erstmals eine Freie christliche Gemeinde auf. Seitdem sei ihr Glaube „wieder aufgeblüht“ und sie genieße es, sich mit jungen Erwachsenen über den Glauben auszutauschen. „Gott ist mein Fels in der Brandung, mein Anker im Alltag. Glauben und Alltag lassen sich für mich nicht trennen, man nimmt ihn überall mit hin und kann ihn dadurch leben.“ So gehören kleine „Stoßgebete“ beim Spazierengehen oder Sport sowie Gespräche mit Jesus, einem „guten Freund“, für Alina Pfeifer dazu. Dass sie ihr tiefes Gottvertrauen niemals verlieren möchte, habe die 23-Jährige gerade in schwierigen Zeiten erlebt: „Ich hatte viele Zweifel und hinterfrage auch heute noch vieles. Dann wende ich mich an Gott und erfahre, dass er mich trägt. Das ist ein großartiges Geschenk.“
Ihre Sicht auf das Leben, die Liebe, den Glauben, auf Selbstzweifel, Freundschaften oder das vermeintliche Anderssein in der Gesellschaft findet sich in Alina Pfeifers Buch „Himmel trifft Erde“ wieder. Darin schreibt und spricht sie (zu einigen Texten gibt es YouTube-Videos) über „Gott und ihre Welt“: „Es ist ein Mix aus allem, was das Leben bereithält. Und es ist eine Sammlung meiner Texte der letzten Jahre.“
Als 16-Jährige nimmt die heutige Sprachkünstlerin zum ersten Mal an einem Poetry-Slam-Workshop ihrer Schule teil. Seitdem ist sie eins mit ihren Worten. Es folgen erste Auftritte und die Teilnahme an den hessischen Poetry-Slam-Meisterschaften. 2018 gewinnt Alina Pfeifer mit ihrem Text „Special Effects“, in dem sie Menschen mit Behinderung und psychisch Kranken eine Stimme gibt, den Ehrenamtspreis für junge Menschen Mittelhessen. Zudem wird sie für den Deutschen Engagementpreis nominiert.
Wir heilen unsichtbare Wunden, da man psychische Erkrankungen nicht auf den ersten Blick sieht.
Beruflich entscheidet sich Alina Pfeifer für eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Parallel absolviert sie ein Studium mit dem Vertiefungsschwerpunkt „Advanced Nursing Practice“, das sie im Herbst 2023 abschließt. Derzeit arbeitet die 23-Jährige in einer Klinik der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Herborn – eine Herzensangelegenheit. „Hier sind es auch die Worte und Gespräche, die wichtig sind. Wir heilen unsichtbare Wunden, da man psychische Erkrankungen nicht auf den ersten Blick sieht.“ In enger Zusammenarbeit mit Ärzten, Psychologen und Erziehern würden die Kinder und Jugendlichen in Herborn eine Struktur erlernen, die ihnen Halt im Alltag gibt. „Wir helfen ihnen zum Beispiel, wieder in die Schule zu gehen oder kleine alltägliche Aufgaben eigenständig zu erledigen. Die Kinder und Jugendlichen haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Von daher ist es schön zu erfahren, was man mit Worten und Gesprächen erreichen kann.“
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Für Alina Pfeifer ist Pflege vielseitig und sie habe „unfassbar viele schöne Seiten“, obwohl sie in der Gesellschaft oftmals negativ dargestellt werde. Ihre Gedanken und Worte zum „Tag der Pflege“ im Mai 2023 machen dies deutlich: „Ein Mensch sein dürfen mitten in der Pflege; von Sterbenden das Leben lernen; den Pflegenotstand am eigenen Leib spüren; lernen, dass es an uns liegt etwas zu verändern.“
Neben ihrer Arbeit liebt die 23-Jährige guten Wortsinn, eine Tasse Kaffee und besonders das Meer. „Ich bin durch und durch ein Nordsee-Kind. Wenn ich nicht in Hessen bin, dann bin ich am Meer.“ An der Nordsee habe sie den Kopf frei, könne anders schreiben und begegne Gott, der dort – wie sie – ein Zuhause habe. „Wenn am Meer die Sonne untergeht, dann trifft der Himmel die Erde. Wenn die Grenzen verschwimmen, ist es für mich der Himmel auf Erden. Am Meer spricht Gott anders, und ich kann seine Gegenwart, seine Schöpfung, die Weite und Unbeschwertheit genießen.“
Das Herz öffnen und spüren, dass Gott da ist, diese Erfahrung wünscht Alina Pfeifer jedem: „Oft vergessen wir dies im Alltag. Dabei sollte jeder eine Hoffnung in sich tragen und den Glauben lebendig halten.“ Wenn es um die Einheit von Kirche geht, verweist die Sprachkünstlerin auf den „Ökumenischen Preacherslam“: „Da treffen verschiedene Konfessionen aufeinander, präsentieren ihre unterschiedlichen Ideen zu Gott, und es ist ein spannendes, offenes und herzliches Miteinander. Trotz Meinungsverschiedenheiten rückt man näher zusammen und ist einen Tag im Glauben eins.“