Sich mit Gott verbinden
Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.
Von Julia Pütz
Sophie Kölsch setzt als „feministisch veranlagte Berufskatholikin“ in Bochum sowie im sozialen Netz Akzente. Digital gibt die angehende Gemeindereferentin Einblick in ihren pastoralen Alltag. Die 28-jährige Seelsorgerin steht für eine ehrliche Kirche, die zuhört, annimmt und begleitet.
Sophie Kölsch ist „begeisterte Umguckerin“. Am liebsten ist die 28-Jährige zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der Bochumer Propsteipfarrei St. Peter und Paul unterwegs: „Ich beobachte und höre zu.“ Seit knapp drei Jahren ist sie als pastorale Mitarbeiterin im Bistum Essen aktiv. „Ich bin unterwegs, um alles anzugucken, wichtiges abzugucken, hinter die Dinge, zurück und nach vorne zu gucken. Dabei darf ich immer ein paar Schritte mit den verschiedensten Menschen gehen.“ Ob in Kirchturmnähe, auf der Straße oder im digitalen Raum: Sophie Kölsch geht auf Spurensuche. „Nach Gemeinsamkeiten, die verbinden, nach dem Leben und nach Gott, die Fundament des Ganzen ist.“ Die Seelsorgerin, die sich als „feministisch veranlagte Berufskatholikin“ mit einem Faible für Bücher, Musik und gerechte Sprache bezeichnet, teilt regelmäßig über Instagram auf dem Profil philo.sophie.rthier ihren pastoralen Alltag: „Weil die digitale Welt Teil des Lebens von Menschen ist. Und weil gerade in den kleinen Dingen des Alltags viel verkündigendes Moment steckt.“
Glaube hat viel mit Inspiration zu tun.
An der katholischen Kirche ist Sophie Kölsch „schon lange nah dran“, sowohl als ehrenamtlich Aktive in der Jugendzeit als auch im Studium und Nebenjob. In ihrer Heimatstadt im Siegerland sind es die Pfadfinder, über die sie die Gemeinschaft und das Sinnstiftende im Glauben erfährt. „Glaube hat viel mit Inspiration zu tun“, sagt die Seelsorgerin. „Er ist die eine große Quelle, aus der sich ganz viel Kraft sammeln lässt. Das Göttliche in der Welt wirkt – in jedem einzelnen Menschen.“ Für die 28-Jährige ist Glaube eine Ressource, um im Leben zu bestehen sowie dem Leben gegenüberzustehen.
Die Option, als Frau für die katholische Kirche zu arbeiten, war in meiner Jugendzeit nicht sichtbar.
Seit ihrer Jugendzeit ist Sophie Kölsch auch Fragende. Nach dem Abitur und einem Freiwilligen Sozialen Jahr im Bundeszentrum der Deutschen Pfadfinderschaft Sankt Georg zieht sie 2014 für ihr Studium der Wirtschaftspädagogik und Katholischen Theologie nach Essen: „Theologie kam aus fachwissenschaftlichem Interesse hinzu, weil mich die Auseinandersetzung mit der Betriebswirtschaft hat fragen lassen, was der Sinn des Lebens ist, wenn alles auf Profit und Kostenminimierung abzielt.“ Neben dem Studium arbeitet Sophie Kölsch beim Bund der Katholischen Jugend in Oberhausen, später beim Stadtverband der Essener Caritas. „Dort war ich Teil eines Pastoralteams. Erstmals kam für mich die Frage auf: Warum eigentlich nicht pastoraler Dienst?“, erzählt die 28-Jährige. In ihrer Heimatregion habe sie keine weiblichen Vorbilder oder Gemeindereferentinnen erlebt. „Die Option, als Frau für die katholische Kirche zu arbeiten, war in meiner Jugendzeit nicht sichtbar.“ Als Teil des Pastoralteams erfährt sie zudem, dass die Repräsentanz Christi im Ruhrbistum mehrheitlich männlich ist: „Die Arbeit ist dadurch durch Stereotype geprägt und das hat mich gestört. Man kann viel meckern, aber das hilft nichts. Man muss auch machen!“
Es macht unfassbar viel Spaß, die Ehrenamtlichen darin zu begleiten, ein Selbstverständnis von aktiver Leitung im liturgischen Bereich zu entwickeln. Es ist toll zu erleben, wie sie eine Gemeinschaft formen, in der sie sich gut, sicher und wohlfühlen.
In der Bochumer Pfarrei, die aus sechs Kirchtürmen und 26.000 Katholiken und Katholikinnen besteht, ist Sophie Kölsch nun mittendrin im Gemeindeleben. Als Gemeindeassistentin ist sie für die Firmvorbereitung verantwortlich, vernetzt und berät 40 Ehrenamtliche, die regelmäßig Wortgottesdienste feiern, baut die Netzwerkplattform „himmelreich bochum“ mit auf und feiert Gottesdienste mit Grundschulkindern sowie in einer Seniorenwohneinrichtung. Vor allem die Begleitung und damit auch die Selbstermächtigung von Menschen liegen der 28-Jährigen am Herzen. Ein Beispiel: die Wortgottesfeier-Leitung. „Es macht unfassbar viel Spaß, die Ehrenamtlichen darin zu begleiten, ein Selbstverständnis von aktiver Leitung im liturgischen Bereich zu entwickeln. Es ist toll zu erleben, wie sie eine Gemeinschaft formen, in der sie sich gut, sicher und wohlfühlen. Das ist eine meiner schönsten Aufgaben, denn dort passiert viel Beziehungsarbeit.“ Gerade im Grenzbereich der Liturgie, der noch sehr von Rollenbildern und Klischees geprägt sei, könne sie als Seelsorgerin am Leben der Ehrenamtlichen teilhaben. „Da wächst Vertrauen, das ist ein Riesen-Geschenk.“ Zudem hat Sophie Kölsch Spaß daran, Feste zu feiern: „Wir predigen immer von dieser Lebensfülle. Die darf dann auch im Gemeindeleben spürbar werden.“
Es liegt eher am Alter, dass ich unterschätzt werde, als an meinem Geschlecht. Es ist eine Generationenfrage und die Frage, mit welcher Theologie und mit welchem Kirchenbild man unterwegs ist.
Die 28-Jährige fühlt sich in ihrer beruflichen Rolle ernstgenommen, auch wenn es ab und zu noch Situationen gebe, in denen vor allem ältere Menschen fragen würden, ob denn der Pfarrer heute nicht da sei. „Es liegt eher am Alter, dass ich unterschätzt werde, als an meinem Geschlecht. Es ist eine Generationenfrage und die Frage, mit welcher Theologie und mit welchem Kirchenbild man unterwegs ist.“ Als „feministisch veranlagte Berufskatholikin“, die auf geschlechtergerechte Sprache achte, laufe sie schon mal gegen Mauern. Doch die Diskussion mit Kritikern und Kritikerinnen scheut die Gemeindeassistentin nicht: „Gegen Betriebsblindheit hilft, die Perspektive zu wechseln.“ Zudem schätzt sie Situationen, in denen Risikobereitschaft spürbar ist: „Wenn wir darüber streiten, was der nächste Schritt ist, und diesen dann auch machen.“
Erklären, wahrnehmen, zuhören, im Gespräch sein und verschiedene Lebensrealitäten mit dem Glauben verbinden, das sind Sophie Kölschs Anliegen in der Gemeindeseelsorge. Auch im sozialen Netz lässt sie andere an ihrem pastoralen Alltag teilhaben. Mit Videos oder Statements zu Themen wie Liebe, Demut, Selbstwertgefühl oder Leistungsdruck gibt sie Impulse für ein Leben mit Gott. „Ich gebe meine Idee davon, dass man Gott nur groß glauben kann, weiter und hoffe, dass sie Menschen im Hier und Jetzt abholt.“ Die Gemeindeassistentin, die 2024 ihre Ausbildung abschließen wird, wünscht sich eine ehrliche Kirche. „Ehrlich in drei Zeitdimensionen“, erklärt Sophie Kölsch. „Die eigene Geschichte kritisch betrachten und sehen, dass Kirche sich immer verändert hat und dies heute auch tun darf.“ Ehrlich der Gegenwart gegenüber: die Lebenswelten aller Menschen akzeptierend und die Charismen aller Getauften ernstnehmend. „Und ehrlich in die Zukunft blicken, wenn es um das Miteinander von Hauptberuf und Ehrenamt sowie die Teilhabe von Frauen in Kirche geht.“
Die Generation K finden Sie auch hier: