Jung. Katholisch. Politisch.
Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.
Von Julia Pütz
Lisa Holzer ist Geistliche Bundesleitung der Katholischen jungen Gemeinde. Aus christlicher Überzeugung setzt sich die 30-Jährige für Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und eine moderne Spiritualität ein. Kindern und Jugendlichen möchte sie eine laute Stimme geben.
Die „Welt ein Stück besser machen“ und „sich für ein gutes Zusammenleben engagieren“, diese Ziele verfolgt Lisa Holzer seit ihrer Kindheit. „Meine Eltern und Großeltern sind und waren immer aktiv in Kirche und Gesellschaft“, erzählt die 30-Jährige. Aufgewachsen ist die Pastoralreferentin und Geistliche Bundesleitung der Katholischen jungen Gemeinde (KjG) in Baden-Württemberg. Neben dem Dienst als Ministrantin war sie schon Teil der KjG. „Jugendarbeit hat mir immer Spaß gemacht. Die Gemeinschaft zu erleben und die Möglichkeit mitzugestalten, das fand ich stark.“ Verbunden mit der Hoffnung, ihre Umwelt ein bisschen besser machen zu können, habe sie im Jugendverband eine Heimat gefunden: „Die 72-Stunden-Sozialaktion spielt zum Beispiel genau da rein.“ Zudem hat sich Lisa Holzer in der KjG „ausprobieren“ können: „Mit 14 Jahren war ich Gruppenleiterin, habe Selbstwirksamkeit erlebt und durfte auch Fehler machen.“
Bei allen Zweifeln an der Institution Kirche hat mir der Verband immer den Raum gegeben, meinen persönlichen Glauben zu leben.
Aufgrund der Erfahrung „Ich kann auch jung etwas bewegen“, entschied sich Holzer für ein Engagement in der KjG auf Diözesanebene. Mit 18 zog sie nach Freiburg, studierte dort Theologie und organisierte für die KjG und im Erzbistum unter anderem Veranstaltungen und Schulungsangebote zu den Themen Mobbingprävention und Nachhaltigkeit. „Bei allen Zweifeln an der Institution Kirche hat mir der Verband immer den Raum gegeben, meinen persönlichen Glauben zu leben.“ Nach vier Jahren Leitungs- und Personalverantwortung auf KjG-Diözesanebene fiel es Holzer nach dem Studium nicht leicht, eine berufliche Entscheidung zu treffen. „Ich habe mich gefragt, ob ich für die katholische Kirche arbeiten möchte.“ Schließlich absolvierte sie eine Ausbildung zur Pastoralreferentin in Essen. „Weil ich von innen gestalten will und es noch der einzige Weg für Nicht-Männer in Kirche ist.“ Derzeit ist die 30-Jährige vom dortigen Bistum für das Amt der Geistlichen Bundesleitung der KjG freigestellt.
Aus christlicher Überzeugung setzt sich Lisa Holzer seit zwei Jahren auf KjG-Bundesebene für Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit, Vielfalt und eine moderne Form von Spiritualität ein. „Es sind die Themen, die mir entsprechen und für die ich mich intensiv engagiere.“ Zudem nehme die KjG auf Bundesebene immer wieder eine kritische Rolle ein und zeige auf, was in Kirche und Gesellschaft nicht gut laufe. Holzer arbeitet mit Bundesleiterin Julia Niedermayer und Bundesleiter Simon Schwarzmüller zusammen. Unter der Prämisse „gemeinsam Leitung sein“ treten sie für einen politischen Glauben und damit für eine demokratische, gleichberechtigte und solidarische Gesellschaft und Kirche ein. „Als Geistliche Leitung und mit meiner beruflichen Qualifikation kann ich zudem aufzeigen, wo Gott+ und eine Hoffnungsperspektive zu finden sind“, ergänzt Holzer.
Wie wir von Gott+ sprechen, prägt auch unser Menschenbild.
Gott+? Moderne Formen von Spiritualität finden, die junge Menschen ansprechen, das ist ein Ziel von Lisa Holzer: „Zuletzt hat sich die KjG auf die Suche nach Gott+bezeichnungen gemacht, die mehr umfassen als die männlich weiße Vorstellung von Gott.“ Denn diese greife theologisch zu kurz und erschwere nicht nur jungen Menschen den Zugang zu Gott+. Nun drückt der Verband seine Vorstellung vielfältiger Gottesbilder mit einem + aus. „So transportieren wir die Vielfältigkeit Gottes+ in ihrem Wortbild, in Schriften und Aktionen. Wie wir von Gott+ sprechen, prägt auch unser Menschenbild“, sagt die 30-Jährige, die per Amt als Mitglied des Synodalen Ausschusses auch die Beratungen über die Zukunft der Kirche in Deutschland mitgestaltet.
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Schwerpunkte setzt Lisa Holzer zudem bei der Überwindung von Geschlechterstereotypen, der uneingeschränkten Gleichberechtigung von Menschen aller Geschlechter und der Entwicklung einer eigenständigen sexuellen und geschlechtlichen Identität. „Verbandsintern haben wir zum Beispiel geprüft, ob es in Sprache, Bild, Organisationsformen und Arbeitsweisen bereits Geschlechterdemokratie gibt, und versuchen, diese stetig zu verbessern.“ Aktuell hat die KjG zudem eine Kampagne zum Thema „Konsens“ gestartet, die sich „auf Sexualität und weitere Lebensbereiche bezieht“, sagt Holzer. „Meine Vision ist es, dass wir auch gesellschaftlich kritische Männlichkeit stärker in den Blick nehmen und Menschen aller Geschlechter Raum für selbstbestimmte Entwicklung geben.“
Mitbestimmung von Anfang an, das ist ein Grundziel der KjG. Dennoch soll Kindern und Jugendlichen künftig im Verband eine noch lautere Stimme gegeben werden. „Selbst aktiv und kreativ werden für die eigenen Rechte, das ist unser Anspruch“, erklärt die Bundesleiterin. „Wir wissen, dass junge Menschen eine Vorstellung davon haben, wie das Zusammenleben mit ihrer Teilhabe funktionieren kann.“ Anfang Oktober veranstaltet die KjG daher den politischen Kinder- und Jugendgipfel „LautStark!“ in Würzburg. Gemeinsam diskutieren, Argumente abwägen, Meinungen bilden und Entscheidungen treffen: „Rund 500 Kinder und Jugendliche, unabhängig von KjG-Zugehörigkeit und Religion, haben dann das Wort, stellen Forderungen, und die Erwachsenen hören zu.“ Demokratie brauche Mitbestimmung von jungen Menschen, so Holzer, daher trete die KjG auch für ein Wahlrecht ohne Altersgrenze und für Kinderrechte im Grundgesetz ein.
Meine Vision ist es, dass wir auch gesellschaftlich kritische Männlichkeit stärker in den Blick nehmen und Menschen aller Geschlechter Raum für selbstbestimmte Entwicklung geben.
Bis zum Ende ihrer Amtszeit im Herbst 2025 hat sich Lisa Holzer im Verband einen weiteren Schwerpunkt gesetzt: „KjG gegen Faschismus – Aus christlicher Überzeugung für Demokratie“. „Wir nutzen unsere Bildungsarbeit, um Gefahren aufzuzeigen, die von rechten Ideologien für unsere Gesellschaft ausgehen. Darüber hinaus vernetzen wir uns zur gegenseitigen Unterstützung mit anderen Organisationen, die antifaschistische Arbeit betreiben.“
Für die Zukunft der katholischen Kirche wünscht sich die 30-Jährige „demokratische Strukturen und eine echte Beteiligung, besonders von Kindern und Jugendlichen“. Holzer habe die Erfahrung gemacht, dass junge Menschen sich Zeit nehmen, um sich für Veränderungen zu engagieren, „wenn Meinungen wertgeschätzt, ernstgenommen und in Strukturen eingepflegt werden. Dann erfahren Menschen Sinnhaftigkeit und sind bereit, sich für eine bessere Welt einzusetzen.“