Gemeinsam den eigenen Weg finden
Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.
Von Julia Pütz
In der Gruppe unterwegs sein und selber bestimmen, wo es hingeht: Als junge Pfadfinderin hat Julia Klesel gelernt, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Heute unterstützt die 28-Jährige, die ein Lizentiat im Kirchenrecht anstrebt, ihren Heimatstamm als geistliche Begleitung.
Jugend leitet Jugend“, dieses Konzept schätzt Julia Klesel, wenn sie an die Arbeit der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und ihren Heimatstamm in Hamburg-Poppenbüttel denkt. „Dass Jugendliche sich mit Kindern beschäftigen und sie in ihrer Entwicklung begleiten, hat für beide Seiten Vorteile“, sagt die 28-Jährige. „Denn in der Gemeinschaft geben kleine und große Pfadfinder einander die Freiheit, zu sein, wer sie sind.“ Gemeinsam spielen, die Natur entdecken, die nächste Fahrt vorbereiten oder ein Projekt planen – alles ist möglich in den Gruppenstunden. „Dort oder im Zeltlager wird dem Abenteuerdrang von Kindern nachgegangen. Sie lernen von den Jugendlichen, Verantwortung für sich und für andere zu übernehmen“, erzählt Julia Klesel. Und die jungen Erwachsenen: „Sie sind selbstständig. Pfadfinder und Pfadfinderinnen sind organisiert und selbstreflektiert, da sie es von klein auf lernen.“ Klesels Heimatstamm „Don Bosco“ gibt es bereits seit 40 Jahren, dennoch ist es ein „junger Stamm“: Der Großteil der Pfadfinder und Pfadfinderinnen ist um die 20 Jahre alt. „Sie sind nah dran und wissen, was Kinder beschäftigt.“
Es ist das diffuse ,Ich-bin-da-Gefühl‘, auf das ich mich verlassen kann. Ich kann auf Gott und seine Liebe vertrauen.
Auch wenn die 28-Jährige mehrere Jahre nicht verbandlich aktiv war, so ist der Kontakt zur Pfadfinderschaft nie abgebrochen. „DPSG-Stämme sind in der Regel an Kirchengemeinden angebunden und dort Teil der Jugendarbeit, wie in meiner Heimatpfarrei. Mit 15 wurde ich gefragt, ob ich eine Gruppe leiten möchte, und ich habe Ja gesagt.“ In Hamburg-Poppenbüttel durchlebt Julia Klesel eine klassisch-christliche Sozialisation: katholische Schule, Erstkommunion, Firmung, Messdienerin, Katechetin, Arbeit im Gemeindeteam. Als Jugendliche festigt sich während mehrerer Taizé-Besuche ihre Spiritualität. „Es ist das diffuse ,Ich-bin-da-Gefühl‘, auf das ich mich verlassen kann. Ich kann auf Gott und seine Liebe vertrauen.“ Glaubensfragen und Zweifel ließen sich am besten in Gemeinschaft klären, so die 28-Jährige. „Zusammen hat man immer wieder die Chance, sich mit der eigenen und der Spiritualität der anderen auseinanderzusetzen.“ Für Glauben brauche man keine Kirche, „aber Kirchenstrukturen machen vieles möglich“.
Im Engagement füreinander vollzieht sich – ganz im Sinne der Georgspfadfinder – ebenfalls Spiritualität. Seit November 2022 ist Julia Klesel als Kuratorin für ihren Heimatstamm „Don Bosco“ aktiv. „Für mein Studium in Münster musste ich leider mein Ehrenamt als Gruppenleiterin aufgeben, die Entfernung nach Hamburg war zu groß.“ Nun ist die 28-Jährige Teil des Vorstandes und zuständig für die geistliche Begleitung des Stammes: „Ich soll die Verbindung zur Pfarrei sein, halte den Bezug zu den christlichen Werten der DPSG aufrecht und biete unter anderem bei Stammeswochenenden und im Lager spirituelle Impulse an.“ Julia Klesel freut sich, dass die Georgspfadfinder als ein Verband in der Kirche immer noch Zulauf haben. „Für einige Gruppen unseres Stammes gibt es Wartelisten. Bei aller Kritik und zahlreichen Kirchenaustritten ist es schön, solch einen christlich-katholischen Anknüpfungspunkt für Kinder und Jugendliche zu haben.“
So wie wir das machen, ist es richtig, weil wir es so machen! Dabei handelt es sich um eine weltweite Glaubensgemeinschaft mit unterschiedlichen Interessen, die fit für die Zukunft gemacht werden muss.
Ihr Studium an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster in den Fächern Geschichte und Katholische Theologie hat die gebürtige Hamburgerin bereits mit einer Lehramtsberechtigung erfolgreich abgeschlossen. Aktuell arbeitet Julia Klesel als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kanonisches Recht, an dem sie auch das Lizentiat im Studiengang Kirchenrecht sowie eine Promotion anstrebt. „Mein zweiter Studienzyklus in Münster gibt mir die Möglichkeit, die Institution katholische Kirche intensiver von oben zu betrachten.“ Ein Besuch in Rom und der dortigen Dikasterien, der Zentralbehörden der vatikanischen Kurie, habe ihr zuletzt erneut gezeigt, „dass wir eine Weltkirche und keine deutsche Kirche sind.“ Oftmals sage die deutsche Institution: „So wie wir das machen, ist es richtig, weil wir es so machen! Dabei handelt es sich um eine weltweite Glaubensgemeinschaft mit unterschiedlichen Interessen, die fit für die Zukunft gemacht werden muss“, erläutert die 28-Jährige.
Die Generation K finden Sie auch hier:
Wir haben aktuell großen Zulauf bei konservativen Zweigen und gleichzeitig viele Menschen mit liberalen Forderungen, die sich zum Beispiel im Synodalen Weg engagieren. Was mir momentan fehlt, ist eine gemeinsame Mitte.
Mit Blick auf die katholische Kirche in Deutschland wünscht sich Julia Klesel mehr Einigkeit und weniger Spaltung: „Wir haben aktuell großen Zulauf bei konservativen Zweigen und gleichzeitig viele Menschen mit liberalen Forderungen, die sich zum Beispiel im Synodalen Weg engagieren. Was mir momentan fehlt, ist eine gemeinsame Mitte.“ Aus kirchenrechtlicher Sicht müsse bei jeder Reform geschaut werden, was derzeit möglich sei und was sich erstmal zurückstellen ließe. „Eine Priesterinnenweihe ist kirchenrechtlich aktuell nicht möglich, was theoretisch eventuell gehen könnte, wären Diakoninnenweihen.“ Punktuell müsse geschaut werden, was sich lokal in den Bistümern umsetzten ließe, so der Vorschlag der angehenden Doktorandin. „Es gibt zum Beispiel schon die Taufe oder Beerdigungsdienste durch Laien. Zudem hat sich das kirchliche Arbeitsrecht radikal geändert.“ Einige Bischöfe seien für Veränderungen bereit, würden aber auch im Zwiespalt stehen, die Einheit der Kirche zu schützen.
Ein wichtiger Aspekt von Kirche ist für Julia Klesel die Basis. „In den Gemeinden gibt es zahlreiche sehr engagierte Menschen. Es sind Laien und Laiinnen, Theologen und Theologinnen, Priester und Diakone, die im Alltag viel Gutes und viel für Kirche tun. Bei aller Kritik am Konstrukt Kirche sollte dies nicht übersehen werden.“ Mittelfristig möchte sich die 28-Jährige wieder verstärkt in die Arbeit ihrer Heimatpfarrei und die ihres Pfadfinderstammes „Don Bosco“ einbringen. „Mein Ziel ist es, meinen Hauptwohnsitz wieder nach Hamburg zu verlegen, um als Ansprechpartnerin für die Pfadfinder und Pfadfinderinnen einfach da zu sein.“