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Laufen, spüren, danken, beten

Sie sind katholisch (nicht nur), kritisch, konstruktiv, kirchennah und kirchenfern: Die Serie „Generation K“ widmet sich jungen Frauen, die sich die Fragen von Kirche, Glauben und Gesellschaft neu stellen.

Von Julia Pütz

Anna Hahner ist eine der besten Trailläuferinnen Deutschlands und tief im Glauben verwurzelt. Körper, Geist und Seele müssen für die 33-Jährige im Einklang sein, damit sie Bestleistung bringen kann. Mit Freude und Leichtigkeit geht sie in jeden Wettkampf und durchs Leben.

Körper, Geist und Seele müssen im Einklang sein, dann sind auch die sportlichen Leistungen da, so Anna Hahner. Sie läuft nicht nur Marathons, sondern auch Ultratrails, also Läufe in der Natur mit sehr steilen Auf- und Abstiegen, etwa rund um die Zugspitze.

Beten hat viel mit Dankbarkeit zu tun und kann mich in einen meditativen Zustand versetzen. Genauso ist es beim Laufen.

Als Anna Hahner 3.800 Höhenmeter rund um den höchsten Berg Deutschlands läuft, wird sie demütig und dankbar. „Was für eine Ehre, dass ich in dieser Natur laufen darf!“, erinnert sich die 33-Jährige. 83 Kilometer versucht sie, jeden Moment des Zugspitz-Ultratrails 2022 zu genießen, auch wenn‘s schmerzt. Schmetterlinge am Wegesrand, Gipfel im Sonnenlicht: „Ich habe versucht, in jedem Detail etwas Schönes zu sehen und diese Stimmung auf mich zu übertragen. Genießen bedeutet ja nicht, dass es nicht anstrengend war.“

Bei Wettkämpfen in den Bergen oder auf der Straße setzt die erfolgreiche Läuferin ihren Fokus auf positive Dinge und versucht, „eine Verbindung nach oben“ aufzubauen. „Das funktioniert über Gefühle, zum Beispiel über die Liebe zur Natur. Letztere ist für mich eng mit Gott verknüpft“, sagt Anna Hahner. Laufen und beten, Spitzensport und Glaube, das schließt sich für die Olympionikin nicht aus. „Da gibt es eine enge Verbindung. Beten hat viel mit Dankbarkeit zu tun und kann mich in einen meditativen Zustand versetzen. Genauso ist es beim Laufen.“ Beim Sport klappe es nicht immer, sich „nach oben zu verbinden“. „Aber wenn es gelingt, spüre ich, dass es ein anderes Gefühl von Wettkampf-Laufen ist“, erklärt die 33-Jährige.

Aufgewachsen ist Anna Hahner mit vier Geschwistern in einem 300-Einwohner-Dorf in der Vorderrhön. „Mein Zimmerfenster befand sich auf Höhe der Kirchen-Glocken. Zudem hat meine Familie heute noch den Schlüssel zum Gotteshaus.“ Ein gelebter Glaube, der Besuch von Gottesdiensten, gemeinsames Beten, ein Engagement als Messdienerin und Lektorin gehörten für Anna Hahner selbstverständlich zum Alltag dazu. „Erst später, in der Jugendzeit, habe ich mich bewusst für ein Lehramtsstudium im Fach Theologie entschieden, um unter anderem zu erfahren, wie andere zu Glaubensfragen stehen.“ Hahners Ziel war es, als Pädagogin zu arbeiten, doch dann kam der Hochleistungssport „dazwischen“. Sie schloss ihr Bachelor-Studium ab und stellte fortan Training und Wettkämpfe in den Mittelpunkt. „Das Laufen hat immer mehr Zeit in Anspruch genommen. Zudem habe ich gemerkt, dass es meine Leidenschaft ist.“

Die Begeisterung fürs Laufen, die sie mit ihrer Zwillingsschwester und Spitzensportlerin Lisa teilt, wurde bei Anna Hahner erst im Alter von 17 Jahren geweckt. Zuvor waren die „Hahner Twins“, wie beide sich nennen, im Tischtennis, Fußball und Ju-Jutsu aktiv. Ein Vortrag von Extremsportler Joey Kelly veränderte ihr Leben. „Es war die Art, wie er gesprochen hat. Es ging nicht um die Sportart an sich. Er hatte ein Feuer in den Augen – das wollten wir auch spüren“, erinnert sich Anna Hahner. Am nächsten Tag schnürten die Zwillinge die Laufschuhe: Drei Kilometer ging‘s in Richtung Wald, mit Trinkpäckchen und Müsliriegeln. „Es hat so viel Spaß gemacht!“ Das Lauf-Feuer war übergesprungen. „Damals wussten wir nicht, ob und wie schnell wir waren.“ Das zeigte der erste Volkslauf, an dem die „Hahner Twins“ teilnahmen. „Wir sind von Natur aus Wettkampftypen und treten gerne gegeneinander an. Bei diesem Lauf waren wir die Schnellsten unserer Altersklasse.“

Mit 21 lief Anna Hahner ihren ersten Marathon und erreichte die bis dato schnellste Zeit einer U23-Athletin über diese Distanz. Es folgten Deutsche Meisterschaften, eine Marathon-Bestzeit von 2:26:44 Stunden in Berlin 2014 sowie die Teilnahme mit Zwillingsschwester Lisa an den Olympischen Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro. Doch die Freude und Leichtigkeit, die Anna Hahner von Beginn an beim Laufen gespürt hat, wurde in Brasilien getrübt. „Ich hatte eine Verletzung und bin mit meiner Schwester Hand in Hand über die Ziellinie gelaufen. Danach gab es in der Öffentlichkeit heftige Kritik. Ich fühlte mich missverstanden.“

Der Glaube gibt mir eine starke Basis und das Gefühl, gehalten zu werden. Das spüre ich von klein auf in meiner Familie und habe es auch im Kloster erlebt.

Anna Hahner entschied sich, eine Auszeit zu nehmen – eine Woche in einem Kloster, ohne Handy und Laptop. „Der Glaube gibt mir eine starke Basis und das Gefühl, gehalten zu werden. Das spüre ich von klein auf in meiner Familie und habe es auch im Kloster erlebt“, sagt die 33-Jährige. Im vermeintlich „Negativen“ das Positive sehen, dankbar und ehrlich zu sich sein, auf Körper und Herz hören, das ist Anna Hahner während ihrer Auszeit (wieder) bewusst geworden. „Körper, Geist und Seele müssen im Einklang sein, dann sind auch die sportlichen Leistungen da.“ Natürlich zähle für sie als Spitzensportlerin das Wettkampf-Resultat, aber es ändere nichts daran, was man als Mensch wert sei. „Ich als Person bin nicht von meiner sportlichen Leistung abhängig.“

Mit dieser Einstellung und tief verwurzelt im Glauben geht Anna Hahner durchs Leben – und in Wettkämpfe. „Im Spitzensport besteht die Gefahr, dass man sich zu sehr fokussiert. Man verliert die Leichtigkeit und die Freude. Dabei sollte einem gerade dabei das Herz aufgehen.“ Und das tut Hahners Herz, wenn sie im Gelände läuft. „In der Natur spüre ich wieder die Begeisterung ud Liebe fürs Laufen. Ich laufe mit meinem Körper und nicht dagegen.“ Dann könne sie Bestmögliches geben, auch wenn es anstrengend sei.

Aktuell konzentriert sich die 33-Jährige, die im Chiemgau lebt, nicht auf sportliche Spitzenleistungen. Sie und ihr Lebenspartner erwarten im Sommer ihr erstes Kind. „Ich laufe noch, aber der Fokus ist ein anderer“, sagt Anna Hahner. Mit Zwillingsschwester Lisa „trainiert“ sie nun verstärkt über die Online-Plattform der „Hahner Twins“ interessierte Sportler rund um die Themen Laufen und Ernährung.

Die „Verbindung nach oben“ möchte die 33-Jährige ihrem Nachwuchs weitergeben. „In Gesprächen versuche ich aber auch, anderen aufzuzeigen, wie viel Kraft Glauben geben kann.“ Eine kritische Auseinandersetzung mit der Institution Kirche sieht Anna Hahner als Teil eines gelebten Glaubens. „Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie habe ich die Stimme der Kirche in der Gesellschaft vermisst. Ich hätte mir gewünscht, dass sie die Kraft ist, die die Menschen zusammenhält.“ Kirche müsse verstärkt „ihre Botschaft der Liebe und Gleichheit aller Menschen“ leben.

Die Generation K finden Sie auch hier: 

www.kfd.de/generation-k

Stand: 27.04.2023