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"Ich erwarte von den Bischöfen vollen Einsatz in Rom!"

Pfadfinderin, BDKJ-lerin, kfd-Frau, ZdK-Mitglied: Für Karin Kortmann sind die katholischen Verbände ihre Heimat, bieten ihr Verlässlichkeit. "Sie sind nie Ich-AGs, sondern stellen das Wir in den Vordergrund", sagt sie. Und so will sie als Präsidiumsmitglied auch den Synodalen Weg verstanden wissen. Miteinander ringen, um gemeinsam Dinge voranzubringen. Das ist bei den aktuellen Herausforderungen für die katholische Kirche nicht ganz einfach. Klerus-Instruktionen, wie die letzten aus Rom, sind wenig förderlich. Kortmann richtet deshalb einen eindringlichen Appell an die deutschen Bischöfe: "Voller Einsatz in Rom! Die Reformen dulden keinen Aufschub mehr!"

Von Jutta Laege

Frau und Mutter: Vor mehr als 25 Jahren legten Sie sich mit den Deutschen Bischöfen an, als Sie BDKJ-Vorsitzende waren und das Frauenpriesteramt forderten. Da waren Sie für die Kurie das sprichwörtliche rote Tuch, sie wurden ja sogar von Ihren Aufgaben "entpflichtet". Was sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?

Karin Kortmann: Es ging um einen "Demokratieförderplan für die katholische Kirche", den wir 1994 bei der BDKJ-Hauptversammlung verabschiedeten. Er enthält Forderungen, die wir heute erneut beim Synodalen Weg diskutieren - den Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern und Funktionen, die kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit -, um zwei Beispiele zu nennen.

Das hat die Bischofskonferenz damals dermaßen verärgert, dass ich als Mitglied der Jugendkommission von diesen Aufgaben entpflichtet wurde. Und es hat damals leider auch dazu geführt, dass der BDJK-Bundespräses, der in Personalunion auch Leiter der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge war, von letzterem entbunden wurde - mit dem Ergebnis, dass es diese Kombination danach nicht mehr gab. Das hat uns im Verband unglaublich geschmerzt und es hat natürlich auch persönliche Verletzungen hervorgerufen.

Karin Kortmann ist Mitglied der kfd und seit 2009 Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). Sie gehört dem Präsidium des Synodalen Weges an. Die 61-Jährige trat 1982 in die SPD ein und war in vielen Parteigremien und -vorständen von lokaler bis zur Bundesebene tätig.

Von 1998 bis 2005 saß sie für die SPD im Bundestag, war unter anderem Sprecherin der EnqueteKommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements". Von 2005 bis 2009 arbeitete sie als parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Heute ist die gebürtige Düsseldorferin im Hauptberuf Direktorin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Das klingt jetzt so weit weg. Aber wenn wir auf die reinen Forderungen der Frauen in Kirche schauen, hat sich de facto in den letzten 25 Jahren nicht viel bewegt. Was nehmen Sie dennoch als Veränderung wahr?

Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich in 25 Jahren immer noch an diesen Themen arbeite, hätte ich es nicht für möglich gehalten. Daran sieht man, wie hart die Bretter sind, die wir bohren müssen, und wie schwierig es ist, scheinbar einfache Dinge umzusetzen, weil sie in einer weltkirchlichen Verantwortung sind.

Aber wir sind trotzdem an vielen Stellen weitergekommen. Weil wir Allianzen geschmiedet haben. Weil wir heute wissen, dass es eine zukunftsfähige Kirche nicht im Gegeneinander, sondern nur im Miteinander von Bischofskonferenz und Lai*innen geben wird.

Als einzige Frau sind Sie Mitglied des Präsidiums beim Synodalen Weg. Wie kommen Sie heute mit den Bischöfen zurecht? Und wie die Bischöfe mit Ihnen?

Ich hoffe, dass die Bischöfe gut mit mir zurechtkommen - ich komme ja auch mit ihnen gut zurecht. Ich bin im Übrigen auch keine Nachtragende. Das hilft ja auch nicht weiter. Ich schaue lieber, wo die positiven Ansätze sind.

Es geht nur im Miteinander und nicht hierarchisch"

In meiner aktuellen Rolle erlebe ich Bischof Georg Bätzing und auch seinen Vorgänger Kardinal Reinhard Marx im Präsidium des Synodalen Weges als wichtige Unterstützer. Weil sie erkennen, dass sie nicht nur Reformbereitschaft, sondern auch Reformfähigkeit beweisen müssen, und dass das nur im Miteinander und nicht hierarchisch geht.

Diese Erkenntnis hat sich noch nicht bei allen Bischöfen durchgesetzt.

Es gibt immer ein paar schwarze Schafe auf allen Seiten. Aber der starke Wille und die klaren Positionen, die ich heute in der Bischofskonferenz wahrnehme, tun uns allen gut. Und die Bischöfe können dankbar sein, dass sie Laiengremien an ihrer Seite haben, die ihnen an vielen Stellen geholfen haben, den Karren wieder aus dem sprichwörtlichen Dreck herauszuziehen.

Wir haben uns dem Synodalen Weg gestellt. Was, wenn wir hinter den Erwartungen zurückbleiben?

Wir haben gerade in den letzten zehn Jahren als ZdK viel dafür getan, der Kirche ein menschliches Gesicht zu geben und zu zeigen, wofür wir in gesellschaftlichen Fragen stehen. Und wir haben uns dem Synodalen Weg gestellt.

Da steckte ja auch eine Gefahr drin: Was, wenn wir hinter den großen Erwartungen zurückbleiben? Wenn wir, wie nach dem mehrjährigen Dialogprozess, nichts weiter aufweisen können als einen Abschlussbericht? Die Mehrheit im ZdK war aber der Ansicht, die Einladung der DBK, uns an diesem Prozess zu beteiligen, können wir nicht ablehnen. Dafür wurde das ZdK gegründet und erfüllt seither seinen Auftrag: Mitgestalter in Kirche und Gesellschaft zu sein. Ich bin sehr zufrieden, was wir in diesem einen Jahr auf den Weg gebracht haben.

Was bedeutet für Sie in Ihrem persönlichen und beruflichen Lebensweg der Kampf für die Gleichberechtigung von Mann und Frau?

Ich hatte ein Riesenglück: Ich hatte eine berufstätige Mutter und habe meine Eltern immer gleichberechtigt erlebt. Sie hatten ein Hotel und eine Gaststätte, da hatte jeder sein Einkommen, seine Aufgaben, seine Verwirklichung. Und ich habe meinen Vater ebenso als Liebenden und Versorgenden erlebt wie meine Mutter auch. Das hat sehr geprägt.

Daneben habe ich dann aber auch kennengelernt, was es heißt, sich durchbeißen zu müssen. Ich bin mit 12 Jahren zu den Pfadfindern gekommen, ein damals sehr männlich geprägter Verband, genauso wie die Strukturen in meinen späteren kirchlichen Feldern bis hin zum ZdK.

Frauen müssen für gleiche Arbeit auch genauso bezahlt werden wie Männer! 

Ich habe versucht, immer ein bisschen besser vorbereitet zu sein, um gut agieren zu können. Als ich in den 1990er-Jahren in die Politik ging, war es wieder dieses männlich dominierte Umfeld, in dem ich mich als Frau behaupten musste. Ich habe aber festgestellt, wenn man die Geschlechterfrage nicht voranstellt, sondern sich über seine Kompetenzen definiert, dann kommt man damit ganz gut durchs Leben.

Warum müssen sich Frauen heute immer noch rechtfertigen, wenn sie die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung einfordern?

Leider gibt es gerade schon wieder Tendenzen der Retraditionalisierung. Frauen stecken immer noch in dem Dilemma, dass die Frage der Familienplanung und Kindererziehung an ihnen hängenbleibt. Der Gesetzgeber muss da deutlicher werden und Frauen und Paare besser unterstützen.

Die Corona-Pandemie hat die alte Frauenrolle leider wieder neu befördert.

Frauen müssen für gleiche Arbeit auch genauso bezahlt werden wie Männer! Und ich sehe da auch die Kirchen in der Pflicht: Katholische Einrichtungen vom Kindergarten bis zur Schule brauchen auch eine bessere Durchmischung der Geschlechter. Es fehlen ja bekanntermaßen in der Erziehungsarbeit männliche Vorbilder. Wir müssen Kindern für die Gesellschaft der Zukunft dringend ein anderes Bild bieten als das von der rundumversorgenden Mutter. Die Corona-Pandemie hat die alte Frauenrolle leider wieder neu befördert.

Sie sind eine Verbandsfrau durch und durch. Wie bewerten Sie als Mitglied die Arbeit der kfd auf all ihren Ebenen?

Die kfd hat in den letzten 15 Jahren enorme Veränderungsprozesse durchlaufen müssen und das auch erfolgreich gemeistert, sich auch geöffnet für jüngere Frauen - das war und ist eine große Herausforderung.

Das Purpurkreuz hat uns alle auch im ZdK motiviert.

Ich ziehe den Hut vor all den kfd-Frauen, die nie aufgegeben haben, sich in ihrer Gemeinde zu engagieren, und die das Rückgrat des Gemeindelebens schlechthin sind. Und davor, dass sie mutig waren und in Sachen Gleichberechtigung nie aufgegeben haben.

Tatsächlich hat uns dieses Purpurkreuz auch im ZdK alle mobilisiert. Wie die kfd-Frauen immer wieder die kleinen Kreuze verteilt haben, auf ihre Anliegen geduldig und beharrlich aufmerksam machten. Das hatte schon was!

Da haben sich auch die Männer sehr angesprochen gefühlt. Mit der kfd und den weiblichen Delegierten im ZdK haben wir vor vielen Jahren auch das so genannte Frauenfrühstück vor Beginn der ZdK-Vollversammlung initiiert. Ein wichtiger Ort, um sich kennenzulernen, Meinungen auszutauschen, Positionen zu bekräftigen und Strategien festzulegen. Auch dafür: Danke an die kfd!

Wenn Sie auf den Synodalen Weg, die Synodalversammlung und die einzelnen Foren schauen, was gefällt Ihnen und macht Ihnen Mut?

Die erste Synodalversammlung im Januar dieses Jahres war ein Feuerwerk. Das hatte ich so nicht erwartet. Ich bin von Frankfurt nach Hause gefahren und hätte Luftsprünge machen können.

Es ist uns gelungen, in einer ehrlichen Offenheit über so vieles zu sprechen! Und alle gehen verantwortungsbewusst damit um. Auch die Arbeit der Foren beeindruckt mich. Sie sind paritätisch besetzt, es gibt eine große Transparenz auch nach außen. Da ist schon ein großes Gemeinschaftswerk gestartet. Die große Herausforderung wird nun sein, diesen Weg und Geist auch in die Gemeinden zu tragen - damit deutlich wird: Da tut sich ganz viel.

Dieser in den letzten Monaten viel beschworene Geist von Frankfurt hat augenscheinlich nicht alle erreicht. Die aktuellen Kirchenaustrittszahlen sprechen eine deutliche Sprache.

Ja, das war das bitterste, was wir in den vergangenen Wochen lesen mussten. Aber es ist auch nicht verwunderlich. Die Auswirkungen des Missbrauchsskandals und der Vertrauensverlust ziehen sich ja über Jahre. Das ist auch noch nicht das Ende der Fahnenstange, befürchte ich. Nur weil wir den Synodalen Weg gestartet haben, heißt das ja nicht, dass das Vertrauen wiederhergestellt ist.

Kann eine Gesellschaft ohne Gott, ohne Religion, ohne Glaubensgemeinschaft leben?

Die Austrittswelle hat jetzt die katholischen Stammländer Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen erreicht. Ich frage aber: Kann eine Gesellschaft ohne Gott, ohne Religion, ohne Glaubensgemeinschaft leben?

Die Corona-Zeit hat uns da noch mal ganz neue Aufgaben gestellt: Wie kann ich Glauben in einer Gemeinschaft leben, die auf Abstand gehalten wird? Wie kann Kirche die Seelsorge und die Gemeinschaft aufrechterhalten? Facebook und Twitter sind kein Ersatz für Nähe und Menschlichkeit und das personale Angebot, das Kirche machen muss.

Nach der jüngsten Instruktion der Kleruskongregation aus Rom aus diesem Sommer haben Lai*innen auch in Zukunft da nicht viel mitzureden ...

Wenn ich sehe, wie wenige junge Männer noch Priester werden wollen, muss ich die Frage des priesterlichen Dienstes doch neu definieren! Und deswegen werden wir beim Synodalen Weg gar nicht um die Fragen herumkommen: Was heißt Gemeindeleitung, was heißt priesterlicher Dienst? Was heißt Verantwortung von Frauen und Männern?

Die Instruktion aus Rom ist eine Machtansage.

Weil es Priestermangel gibt, setzen wir einfach den Diakonat des Mannes herauf. Das kann es doch wirklich nicht sein! Die Instruktion aus Rom ist eine Machtansage. An die Bischöfe, an die Laien, an den Synodalen Weg. Beantworten wir sie doch mit fundierter Argumentation, mit zorniger Beharrlichkeit und einer aus unserem Glauben gespeisten Zuversicht, dass wir auf dem richtigen Weg der Veränderung sind.

Der Druck nimmt zu, die Botschaften aus Rom sind nicht gerade förderlich. Gibt es einen kritischen Punkt, an dem Sie sagen würden: Da steige ich aus?

Aussteigen heißt, man kapituliert. Ich steige nie aus. Ich lebe nach wie vor von einer Zuversicht und Hoffnung und einem Vertrauen. Aber es ist völlig klar: Die deutschen Bischöfe haben eine große Verantwortung, ihr Amt auch so auszuschöpfen, dass sie in ihren Bistümern und auch in der katholischen Kirche in Deutschland neue Wege eröffnen, die nicht mit Rom abgestimmt werden müssen.

Menschen, die sich für die Kirche jetzt einsetzen, möchten die Veränderungen auch noch zu ihren Lebzeiten erfahren.

Ich erwarte von den Bischöfen als Verantwortungsgemeinschaft, dass sie sich für all das, was wir beim Synodalen Weg verabschieden, mit aller Kraft in Rom einsetzen. Und dass sie es nicht als Jahrhundertaufgabe ansehen. Menschen, die sich für die Kirche jetzt einsetzen, möchten die Veränderungen auch noch zu ihren Lebzeiten erfahren.

Die Deutsche Bischofskonferenz könnte mit der Ernennung einer Sekretärin Boden gut machen. Wie sehen Sie die Chancen für eine Frau?

Zunächst einmal: Mit dem jetzigen Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Langendörfer, haben wir beim Synodalen Weg einen guten und reformfreudigen Partner an der Seite. Ich wünsche mir für seine Nachfolge eine Person, die ebensolchen Mut und Entschlossenheit an den Tag legt.

Und ich sage deutlich: Wenn die Deutsche Bischofskonferenz nicht in der Lage ist, diese Position a) mit einem/einer Lai*in und b) mit einer Frau zu besetzen, dann vergibt sie eine Chance.

Der nächste Langendörfer wird weiblich, eine Langendörferin!

Es ist nicht das kleine "-in" für Sekretär-in. Es ist unabdingbar! Ich hoffe, dass die Bischöfe und ihr Vorsitzender so klug sind, die Zeichen der Zeit zu erkennen. Ich werde Bischof Bätzing dazu auch schreiben. Das habe ich mir fest vorgenommen. Der nächste Langendörfer wird weiblich, eine Langendörferin! 

 

Die Frauenfrage ist ja nicht nur eine kirchenpolitische Frage. Sie ist auch in der Gesellschaft längst nicht gelöst. Es gibt antifeministische Strömungen, es gibt die Befürchtung von Retraditionalisierung. Wie weit sind wir im Jahr 2020 denn nun wirklich?

Auch die Tatsache, dass wir seit 15 Jahren eine Bundeskanzlerin haben, täuscht nicht darüber hinweg, dass wir weiterhin Defizite, wenn nicht sogar ein "Rollback" in der Frauenfrage haben. 

Der Bundestag war in seiner Zusammensetzung noch nie so wenig weiblich wie in dieser Legislaturperiode. Es gibt in der Gesellschaft, in der Wirtschaft viel "Wording" rund um das Frauenthema, aber es wird nicht umgesetzt. 

Die Zerrissenheit innerhalb der CDU beim Thema Frauenquote zeigt ja gerade ganz aktuell, dass die Geschlechter- und Machtfrage gesellschaftspolitisch längst nicht geklärt ist. Ich persönlich war nie für die Quote. 

Aber ich weiß, dass allein auf Einsicht zu hoffen, uns nicht weiterbringt. Es braucht verbandliche oder rechtliche Quoten, damit es vorangeht, weil ansonsten die Männerbünde einfach viel zu stark sind. Das ist eigentlich eine traurige Erkenntnis nach vielen Jahrzehnten lebendigem Frauen-Engagement.

kfd fordert: Macht Frau zur DBK-Sekretärin!

Im Februar 2020 kündigte Pater Hans Langendörfer an, dass er nicht erneut für das Amt des Sekretärs der Deutschen Bischofskonferenz kandidieren werde. Er steht noch bis zum Jahresende zur Verfügung.

Im September muss sich die Vollversammlung der deutschen Bischöfe in geheimer Wahl über die Nachfolge einigen. Schon seit Februar reklamieren Laienorganisationen und Verbände, dass die Stelle, die die Leitung des Sekretariats in Bonn und die Unterstützung des Vorsitzenden der DBK beinhaltet, nicht unbedingt von einem Priester bekleidet werden müsse.

Die kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil betont: "Jetzt können die Bischöfe endlich zeigen, dass sie es ernst meinen mit Leitungsfunktionen für Frauen. Ich kann nur hoffen, sie suchen ernsthaft nach einer weiblichen Besetzung."

Stand: 31.08.2020