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Serie: Meine wichtigste Bibelstelle

Bibelverse können berühren, ermutigen, verwundern, bereichern. Was bedeuten sie aber jeder und jedem Einzelnen? In unserer neuen Serie haben wir Theologinnen und Theologen gebeten, uns ihre wichtigste Bibelstelle zu nennen und zu erklären, was sie daran fesselt und begeistert.  

Alle Folgen im Überblick

Freiheit - Der Glaube als Ort und Garant

 

Folge 5: Antonius Hamers, Direktor des katholischen Büros NRW in Düsseldorf und Domkapitular in Münster

 

2 Kor 3,17

Ihr zeigt, dass ihr ein Brief des Messias seid, der von uns übermittelt wurde: nicht mit Tinte geschrieben, sondern mit der Geistkraft Gottes, der Lebendigen, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern auf Tafeln, die menschlichen Herzens sind.

Ein solches Zutrauen haben wir zu Gott mithilfe des Messias. Doch sind wir dazu nicht von uns selbst aus geeignet, als ob wir selbst uns etwas zuschreiben könnten. Unsere Eignung wird vielmehr von Gott bestimmt.

Gott hat uns fähig gemacht, den erwarteten neuen Bund zu übermitteln, der nicht nur geschrieben steht, sondern der von der Geistkraft bewirkt wird. Denn das, was nur geschrieben ist, kann tödlich wirken, die Geistkraft aber gibt Leben.

Selbst die Übermittlung der in Stein geschlagenen Buchstaben, die tödliche Folgen hatte, ließ die Gegenwart Gottes aufstrahlen, sodass die Töchter und Söhne Israels das Angesicht des Mose nicht fest anschauen konnten, als es vorübergehend leuchtete. Um wie viel mehr sollte nicht die Übermittlung der Geistkraft die Gegenwart Gottes aufstrahlen lassen? 

Denn wenn schon die Übermittlung der Tafeln, die zur Verurteilung des Volkes führte, Gottes Gegenwart aufleuchten ließ, um wie viel mehr und alles überstrahlend wird's die Übermittlung der Gerechtigkeit?

In jenem Fall leuchtet das göttliche Licht gegenüber dem alles und alle überstrahlenden Glanz Gottes noch nicht in seiner ganzen Fülle. Doch wenn schon im Vergehenden Gottes Gegenwart aufleuchtet, um wie viel mehr erstrahlt sie im Bleibenden! Da wir nun solche Hoffnung haben, treten wir in aller Offenheit auf und nicht wie Mose, wenn er eine Decke über sein Gesicht legte, damit die Töchter und Söhne Israels nicht ständig hinschauen mussten, ob das Leuchten schon vollständig vergangen sei.

Aber das Denken vieler wurde verhärtet. Ja, bis zum heutigen Tag verhüllt die Decke beim Lesen das Leuchten des alten Bundes. Es wird nicht aufgedeckt, denn erst in der Gegenwart des Messias verschwindet sie.

Bis zum heutigen Tag liegt, wenn Mose so gelesen wird, eine Decke auf dem Herzen der Menschen. Von Mose heißt es in der Schrift: Wann immer er sich wieder an den Ewigen wendet, wird die Decke abgenommen. Der Ewige ist die Geistkraft, und wo die Geistkraft des Ewigen ist, da ist Freiheit."

In diesen Tagen wird bei vielen Gelegenheiten und an vielen Orten an das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren erinnert.

Am 8. beziehungsweise 9. Mai 1945 kapitulierte das Deutsche Reich vor den Alliierten, und der Krieg endete damit. Vorausgegangen waren heftige Kämpfe und Bombardierungen - bis zuletzt wehrte sich das NS-Regime blindwütig, obwohl die Niederlage bereits lange feststand.

Und so starben noch Hunderttausende Soldaten und Zivilisten - durch Bomben, auf der Flucht, auf Todesmärschen. Bis am 8. Mai 1945 endlich die Waffen schwiegen. Zugleich waren Millionen heimatlos, auf der Flucht oder in Gefangenschaft.

Auslöffeln mussten diese Suppe, die ihnen die Männer eingebrockt hatten, vielfach die Frauen - als Kriegerwitwen, als Trümmerfrauen, als diejenigen, die angesichts der Not das alltägliche Leben organisieren mussten. Ganz zu schweigen von den Erfahrungen, die Frauen auf der Flucht machen mussten.

Ohne Frieden und ohne Freiheit ist alles nichts." 

Das Gedenken an den Zweiten Weltkrieg ruft in Erinnerung: Ohne Frieden und ohne Freiheit ist alles nichts. Freiheit gab es allerdings nach 1945 zunächst nur in der westlichen Hälfte unseres Landes und Europas. Erst mit dem Fall der Mauer und dem Untergang der Sowjetunion erlangten auch die Menschen in Mittel- und Osteuropa die Freiheit.

Wie kostbar diese Freiheit ist, erleben wir derzeit angesichts der Beschränkungen, die uns auferlegt sind, um die Ausbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen.

Freiheit ist auch in der Kirche, im Glauben ein Sehnsuchtsbegriff. Und mitunter haben Menschen die Erfahrung gemacht, dass die Kirche kein Ort der Freiheit war beziehungsweise ist.

Dabei spielt die Freiheit insbesondere beim Apostel Paulus eine zentrale Rolle: Zur Freiheit hat uns Christus befreit (Gal 5,1) - heißt es da. Und weiter: Ihr seid zur Freiheit berufen (Gal 5,13). Für Paulus steht die Freiheit vom jüdischen Gesetz im Vordergrund. Zugleich gründet diese Freiheit darin, dass Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen hat und ihn mit Würde und Freiheit bedacht hat - keine Würde ohne Freiheit.

Mich hat das immer fasziniert - der Glaube als Ort, als Garant der Freiheit. Daher habe ich mir 2008 zu meiner Priesterweihe einen Vers aus dem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther ausgesucht: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit (2 Kor 3,17).

Freiheit braucht Vertrauen; Freiheit braucht Mut; Freiheit ist nichts für Angsthasen."

Grundlage dieser Freiheit ist für Paulus das Vertrauen, das wir durch Jesus Christus zu Gott haben dürfen (vgl. 2 Kor 3,4). Denn: Freiheit braucht Vertrauen; Freiheit braucht Mut; Freiheit ist nichts für Angsthasen. Angst und Misstrauen begrenzen oder verhindern Freiheit - und zwar bei dem, der Freiheit gewähren soll, und bei dem, der Freiheit nutzen soll.

Daher sind totalitäre Systeme, die Freiheit verhindern, von Angst und Misstrauen geprägt. Nur wer dem anderen vertraut, kann Freiheit gewähren und nutzen. Nur wenn ich darauf vertraue, dass der andere es gut mit mir meint, kann ich (angst-)frei reden und handeln.

Weil Gott dem Menschen etwas zutraut, schenkt er ihm die Freiheit - obwohl Menschen ihre Freiheit auch dazu nutzen, Böses zu tun. So heißt es im vierten Hochgebet: Als der Mensch im Ungehorsam deine Freundschaft verlor, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen, dich zu suchen und zu finden.

Diese Freiheit, die von Gott geschenkt ist und die im Vertrauen auf ihn gründet, ist für uns als Kirche, als Gemeinschaft der Glaubenden, die in Taufe und Firmung Gottes Geist empfangen haben, diese Freiheit ist Zuspruch und Anspruch.

Zuspruch ist sie, weil die Freiheit uns frei macht, etwas zu tun. Freiheit im Glauben ist in erster Linie eine Freiheit zu etwas, nicht von etwas. Sie soll Menschen in die Lage versetzen, sich einzusetzen, ihre Meinung zu sagen, ihre Talente und Fähigkeiten einzubringen.

Freiheit ist Anspruch für uns als Kirche, weil ihr in der Kirche Raum gegeben werden muss." 

Dabei ist gute Freiheit niemals grenzenlos - sonst wird sie rücksichtslos und zur Tyrannei. Freiheit findet ihre Grenze in der Verantwortung - in der Verantwortung vor Gott und vor anderen Menschen, wie es in der Präambel unseres Grundgesetzes heißt. Nur verantwortete Freiheit ist gute Freiheit.

Freiheit ist Anspruch für uns als Kirche, weil ihr in der Kirche Raum gegeben werden muss. Wenn Gott dem Menschen die Freiheit anvertraut, dürfen wir sie uns nicht gegenseitig absprechen. Nur wer dem anderen vertraut und ihm etwas zutraut, kann die Freiheit des anderen akzeptieren. Das ist gerade bei den derzeitigen Prozessen in der Kirche, bei denen es um Umkehr, um Erneuerung und um Rückbesinnung auf das Evangelium geht, wichtig.

Es geht um die Freiheit, dem anderen zuzutrauen, dass er recht haben könnte und dass er verantwortungsvoll von seiner Freiheit Gebrauch macht. Diesen Geist, diese Grundhaltung, dieses Vertrauen wünsche ich mir für alle Diskurse in der Kirche und in der Gesellschaft, in der man mitunter den Eindruck hat, die Schrecken des Krieges und was dazu geführt hat würden vergessen.

Damit Frieden und Freiheit gesichert bleiben. Denn: Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.

Stand: 28.04.2020