Für ein gutes Auskommen
Was es braucht, damit alleinstehenden Frauen keine Altersarmut droht
Von Romina Carolin Stork
Die Rente - ein Thema, das eines der wesentlichen der noch jungen Legislaturperiode sein wird. Laut einer im Juni veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung sind alleinstehende Frauen eine der Risikogruppen, denen im Alter droht, nicht von ihren erwirtschafteten Rentenansprüchen leben zu können.
In 20 Jahren könnten etwa 28 Prozent der alleinstehenden älteren Frauen auf die sogenannte Grundsicherung im Alter angewiesen sein. Aktuell sind es knapp 16 Prozent. Zum Vergleich: Generell werde die Grundsicherungsquote bei Neu-Rentnern von rund 5,4 auf etwa 7 Prozent steigen.
Ellen von den Driesch vom "Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung" ist darüber nicht verwundert. "Die durchschnittliche Altersrente von Frauen in Westdeutschland liegt noch unter der Witwenrente", erklärt sie. Laut Deutscher Rentenversicherung erhielten Frauen in Westdeutschland Ende 2016 - alle folgenden Werte sind Durchschnittswerte - 616 Euro Witwenrente, der Betrag der Altersrente lag bei rund 606 Euro.
Im Osten stellt sich die Situation etwas anders dar, dort bekamen Frauen 671 Euro Witwenrente, die Rentenhöhe aus eigenen Anwartschaften betrug 894 Euro. Männer in Westdeutschland hingegen erhielten 1040 Euro, in Ostdeutschland etwa 1124 Euro.
Die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen im Osten ist geringer, da Rentnerinnen seltener erwerbslos waren, zudem arbeiteten Frauen weniger in Teilzeit. Aber auch dort werde die Rentenlücke größer, sagt von den Driesch. Sind Frauen also von der Rente ihres Mannes abhängig?
Aktuell sei das vor allem in Westdeutschland häufig der Fall, meint Expertin von den Driesch. Männer bekommen im Durchschnitt rund 21 Prozent mehr Gehalt als Frauen, in vergleichbaren Tätigkeiten verdienen sie etwa sieben Prozent mehr. Daher gelte der Mann auch weiterhin als "der Haupterwerbstätige, der sogenannte Brötchenverdiener".
Laut Statistischem Bundesamt lebten bei Ehepaaren im vergangenen Jahr etwa "25 Prozent der Ehefrauen überwiegend von den Einkünften der Angehörigen. Umgekehrt waren ältere Männer finanziell kaum (1 Prozent) auf ihre Partnerin angewiesen". Die sogenannte gläserne Decke, eine Art unsichtbare Barriere, hindere Frauen daran, in Führungspositionen aufsteigen zu können. Hinzu komme, dass Frauen häufig in Teilzeit arbeiteten und unbezahlte Erziehungsarbeit leisteten, so von den Driesch. Das gelte erst recht für alleinerziehende Mütter.
Von den Driesch rät deswegen zu einer Politik, die den Lebensverlauf im Blick hat, statt zu einer expliziten Rentenpolitik für Frauen. "Für eine gerechte Rente müssen Lösungen gefunden werden, die schon den Wandel des Erwerbslebens einschließen, den wir beobachten", sagt sie. Das Konzept, in jungen Jahren viel zu arbeiten, dann eine Familie zu gründen und später in den Ruhestand zu gehen, funktioniere nicht mehr.
Es gebe drei Stellschrauben: Stundenlohn, Erwerbsvolumen und die Position im Unternehmen. Einiges ist nach Aussage der Demografin schon getan worden: Die Regelung für börsennotierte Unternehmen beispielsweise, die besagt, dass der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten 30 Prozent betragen muss, Elterngeld und Elternzeit, die immer mehr Väter in Anspruch nehmen, oder das Entgelttransparenzgesetz, das ab 2018 ermöglichen soll, Gehälter miteinander zu vergleichen.
Allerdings: Das Gesetz gilt in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern. Das Vergleichsgehalt wird aus dem "Median des Entgelts von mindestens sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts in gleicher oder vergleichbarer Tätigkeit" gebildet, heißt es in den "Informationen zum Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
"Es müssen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden, dass man künftig zwar länger über den Lebensverlauf hinweg arbeitet - aber nicht, indem Renteneintrittsalter und Lebensarbeitszeit einfach erhöht werden", schlussfolgert die Expertin. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten das Arbeitsvolumen ihrer jeweiligen Lebensphase anpassen können, etwa eine hohe Stundenzahl zu Beginn des Erwerbslebens, bei Familiengründung weniger, und "wenn die Kinder aus dem Haus und die Eltern noch unabhängig sind" wieder mehr arbeiten.
Die geleisteten Stunden würden miteinander verrechnet, etwa in Lebensarbeitskonten. So könne Erwerbs- und Familienleben gerechter gestaltet und von Frauen und Männern flexibel genutzt werden. Dafür sei beispielsweise dringend das Recht einzuführen, in Vollzeit zurückkehren zu können, wenn für Pflege- oder Erziehungszeiten Phasen der Teilzeitarbeit nötig waren, so von den Driesch.
Auch müssten diese Zeiten stärker in die Rentenanwartschaften einfließen, denn "das hätte, gerade bei Frauen, einen großen Einfluss auf die Rente". Zudem brauche es gerechte Löhne und ein ausgebautes Entgelttransparenzgesetz, so dass "es generell die Regel sein muss, dass Arbeitgeber offenlegen, wie viel die Angestellten verdienen".
Außerdem ist nach wie vor die Kinderbetreuung ein wesentliches Thema: Nicht nur Kleinkinder müssten betreut, sondern auch Ganztagsschulen ausgebaut werden. An Sockelrenten-Modellen kritisiert die Expertin: Sie änderten nichts an der Situation, dass Frauen schon im Erwerbsleben weniger verdienten. Somit sei auch der Teil, den sie zusätzlich zur Sockelrente bekämen, geringer als der von Männern und löse nicht das Problem der geringeren Renten im Alter.
Die diesem Artikel zugrunde liegende Studie "Entwicklung der Altersarmut bis 2036: Trends, Risikogruppen und Politikszenarien" haben Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Ausgewertet wurden die Daten der Geburtenjahrgänge zwischen 1947 und 1969 aus einer jährlich stattfindenden, repräsentativen Befragung unter rund 30.000 Personen in Deutschland.
Für die Untersuchung wurde das Renteneinkommen des gesamten Haushalts berechnet und simuliert, wie sich der Rentenbezug bis 2036 entwickelt. Der Anteil der alleinstehenden Frauen kann dadurch überschätzt sein, dass die Studie eine konstante Familiensituation voraussetzt, die Frauen also bis ins Rentenalter ledig bleiben, heißt es. Allerdings ist auch die Scheidungsrate nicht berücksichtigt worden.
Rentenbündnis der katholischen Verbände
Das Rentenmodell der katholischen Verbände schlägt ein umlagefinanziertes, solidarisches und leistungsbezogenes System der gesetzlichen Rentenversicherung vor, das Altersarmut verhindern, eine eigenständige Alterssicherung von Frauen und Männern sicherstellen sowie Erziehungs- und Pflegezeiten besser anerkennen soll.
Dem Rentenbündnis gehören neben der kfd die Katholische Arbeitnehmerbewegung, der Familienbund der Katholiken, das Kolpingwerk und die Katholische Landvolkbewegung an. Das Bündnis hat ein Drei-Stufen-Modell entwickelt, um die soziale Sicherheit im Alter und den solidarischen Ausgleich in der Gesellschaft zu stärken.
Die Forderungen: • eine solidarische Pflichtversicherung für alle Einwohnerinnen und Einwohner (eine sogenannte Sockelrente), • eine Pflichtversicherung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und • eine betriebliche und private Altersvorsorge.