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Faires Spiel

Gesten der Menschlichkeit im Sport

Von Regina Käsmayr

Sport hat vielfach mit Geld zu tun, mit Geltungsdrang und Ellbogen. Wenn Sponsoren, Fans und die eigene Mannschaft Druck machen, bleibt die Menschlichkeit schon mal auf der Strecke. Aber nicht immer, wie drei wundervolle Beispiele zeigen.

Es ist eine dieser Geschichten, die bereits seit mehreren Jahren durch das Internet geistern, die Menschen zum Weinen bringen und Hoffnung wecken. Hoffnung darauf, dass doch das Gute überwiegt auf dieser Welt, dass Menschen großherzig und fair sind.

Viele kennen die Geschichte unter dem Namen "Die Shaya-Story". Sie handelt von einem Vater, der mit seinem behinderten Sohn durch einen Park geht und Jungen beim Baseball-Spielen beobachtet. Sein Sohn, der zehnjährige Shaya, bleibt stehen und äußert den Wunsch, mitspielen zu dürfen. Daraufhin spricht der Vater einen der Baseballer an, mit wenig Hoffnung auf eine Zusage.

Dieser aber antwortet: "Wir haben das Spiel ohnehin schon fast verloren. Er kann in der nächsten Runde mitspielen." Dann passiert das Wunder: Obwohl niemand mehr an einen Sieg geglaubt hat, holt die Mannschaft unerwartet stark auf. Als Shaya an die Reihe kommt, mit dem Baseballschläger den Ball zu schlagen, könnte seine Mannschaft mit einem guten Spieler sogar gewinnen - mit einem behinderten Jungen aber vermutlich nicht.

Dennoch stehen die Sportler zu ihrem Wort und lassen ihn schlagen. Zweimal hintereinander verfehlt Shaya den Ball. Alles sieht danach aus, als wäre das Spiel verloren. Beim dritten Mal trifft er, doch der Ball rollt nur wenige Meter weit weg. In einem solchen Fall wirft der sogenannte Pitcher der gegnerischen Mannschaft den Ball eigentlich zurück zum "Baseman" und das Spiel ist vorbei.

Aber hier geschieht etwas ganz anderes. Denn auch die gegnerische Mannschaft - die nun eigentlich wieder gewinnen würde - zeigt Menschlichkeit: Anstatt das Spiel zu beenden, wirft der Pitcher den Ball weit über das Ziel hinaus. Shaya hat nun eine Chance: Er muss einmal um das komplette Spielfeld herumrennen, also einen "Homerun" machen, bevor der Ball zum Baseman zurückgeworfen wird.

Jeder einzelne Spieler der gegnerischen Mannschaft könnte diesen Homerun verhindern. Aber stattdessen werfen sie sich den Ball absichtlich ungeschickt zu. Die Menschen im Park bleiben stehen und beobachten die Szene. Als Shayas Mannschaftskameraden merken, was passiert, fangen sie an zu schreien: "Shaya, lauf weiter! Lauf weiter!" Die Passanten und die gegnerische Mannschaft stimmen mit ein, alle feuern den Jungen an, der unbeholfen um das Spielfeld rennt. Alle schreien seinen Namen.

Und Shaya schafft es. Er beendet die Spielfeldumrundung und holt den Sieg für seine Mannschaft."An diesem Tag", so sagt der Vater hinterher, "brachten die Spieler von beiden Mannschaften ein Stück wahrer Liebe und Menschlichkeit in Shayas Welt." Sein Sohn habe erlebt, wie es ist, ein Held zu sein. Er starb im folgenden Winter.

Die Geschichte ist tatsächlich wahr, sie ereignete sich Mitte der 1990er-Jahre in Brooklyn, New York. Shayas jüdischer Vater erzählte das Geschehene später seinem Rabbi Paysach Krohn, der es in seinem Buch "Echoes of the Maggid" (Artscroll Verlag) aufschrieb. "Ich kenne nicht nur den Vater, sondern auch den Pitcher, der den Ball geworfen hat", bestätigt Krohn. Zwar geben beide keine Interviews, aber der Rabbi befragte sie mehrfach zu ihren Gefühlen und Intentionen.

"Ich wollte Shaya die Gelegenheit geben, einen ,Homerun' zu machen, weil er so etwas noch nie erlebt hatte. Ich wollte, dass er sich besonders fühlt", sagte der junge Pitcher dem Rabbi. Dass seine Mannschaft durch diese Entscheidung das Spiel verlieren würde, sei ihm klar gewesen, doch niemand habe ihm das je übel genommen. Auch das ist ein Zeichen von Fairness. In der Mannschaft hält man zusammen.

Willi Daume, einer der einflussreichsten Sportfunktionäre des 20. Jahrhunderts, sagte einmal: "Es kann keinen echten Sport ohne Fair Play geben." Fair Play tut manchmal weh. Vielleicht verhindert es, dass man es aufs Siegertreppchen schafft. Man muss Dinge einräumen und zugeben, bringt im schlimmsten Fall die Fans gegen sich auf. Und dennoch: Wer gegen die offizielle Regel oder gegen ein Schiedsrichter-Urteil im Sport eine Gewissensentscheidung trifft, wird zurecht als Held gefeiert.

So geschehen auch bei Fußball-Star Miroslav Klose. Im entscheidenden Spiel seiner Mannschaft Lazio Rom gegen den SSC Neapel im Jahr 2012 beförderte er den Ball per Handspiel ins Netz - ein spontaner Betrug, ganz klar. Im Getümmel vor dem Tor sah der Schiedsrichter diesen jedoch nicht und ließ das Tor gelten. Klose fasste sich daraufhin ein Herz und gab sein Handspiel zu.

Daraufhin schlug die aggressive Stimmung der gegnerischen Mannschaft auf dem Spielfeld ins Gegenteil um. Die Spieler feierten Klose, umarmten und drückten ihn. Wenig später erhielt der deutsche Nationalstürmer für seine Ehrlichkeit den Fair-Play-Preis des AC Florenz. "Ich habe kein Problem damit, meine Schuld zuzugeben. Ich habe dies für die Kinder getan, die uns zuschauen", sagte er bei der Preisverleihung. Das Tor wäre übrigens das 1:0 gewesen. Stattdessen verlor Kloses Mannschaft mit 0:3.

"Völkerverständigung ist kein leichtes Unterfangen. Aber manchmal bewirkt eine kleine Geste bei einem Fußballspiel mehr als jedes Gipfeltreffen", schrieb die Frankfurter Allgemeine über das Geschehen, angesichts der damals leicht angespannten finanzpolitischen Lage zwischen Italien und Deutschland.

Miroslav Klose ist für sein faires Verhalten im großen Sport übrigens bekannt: Bereits 2005 verzichtete er als Werder-Bremen-Spieler auf einen ihm fälschlicherweise zugesprochenen Elfmeter. Nicht um jeden Preis und nicht mit unsportlichen Mitteln gewinnen wollen - das ist Fair Play.

Ein beeindruckendes Beispiel für eine Gewissensentscheidung lieferte im Mai 2016 auch die ungarische Badminton-Spielerin Laura Sarosi. Sie überließ während des Olympia-Qualifikationsspiels ihrer Gegnerin Karin Schnaase ein Ersatzpaar Schuhe. Schnaase war eine Schuhsohle gebrochen, sie hatte jedoch kein anderes Paar dabei.

Dieses Versäumnis hätte die Sportlerin ihr Olympia-Ticket kosten können - und Laura Sarosi hätte es vielleicht bekommen, weil die deutlich überlegene deutsche Spielerin mit einer geflickten Schuhsohle eine wesentlich schlechtere Leistung erbracht hätte. Stattdessen fragte sie Schnaase nach ihrer Schuhgröße. Und diese - 36 - stimmte mit ihrer eigenen überein. Die Schuhe wechselten also das Feld - und Karin Schnaase gewann das Spiel.

Auch diese menschliche Geste wurde belohnt: Über 5000 Menschen unterzeichneten anschließend eine Online-Petition, die eine "Wildcard", also ein Olympia-Freiticket für Sarosi forderte. Diese wurde jedoch gar nicht mehr benötigt. Die 23-Jährige schaffte es ganz allein auf einen Olympia-Qualifikationsplatz in der Weltrangliste und war in Rio dabei - als erste ungarische Badminton-Spielerin seit 20 Jahren. "

Was Sarosi tat, umarmt tatsächlich den olympischen Geist", schrieb ein Fachmagazin. Deshalb gönnten es ihr alle, dieses Happy End wie aus einem Hollywood-Streifen. Manchmal ist das Leben eben doch noch gerecht.

Stand: 02.02.2018