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100 Jahre Frauenwahlrecht - 100 Jahre Frauengeschichten

Seit Frauen am 19. Januar 1919 erstmals wählen durften, haben sie sich nicht mehr von ihrem Weg zu mehr Selbstbestimmung abbringen lassen. In dieser Serie stellen wir starke Frauen aus zehn Jahrzehnten vor, die Politik, Gesellschaft und Kirche prägten und für Freiheit, Glauben und Gleichberechtigung eingetreten sind. Alle historischen Frauenporträts im Überblick

Folge 6: Uta Ranke-Heinemann

"Uta, gib nicht immer Widerworte"

Sie war 1969 die erste Frau weltweit mit einem Lehrstuhl in Katholischer Theologie - und musste diesen 1987 wieder abgeben, weil sie die Jungfrauengeburt Christi anzweifelte. Uta Ranke-Heinemann rieb sich wie kaum jemand sonst an der katholischen Kirche. 

Von Isabelle De Bortoli 

Deutschland in den späten 60er-Jahren: Demonstrationen. Studenten liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Es gibt massive Proteste gegen den Vietnamkrieg, auch gegen die Notstandsgesetze. Rote Fahnen wehen auf dem Kurfürstendamm in West-Berlin. Teile der akademischen Jugend radikalisieren sich. 1969 wird Willy Brand der erste SPD-Bundeskanzler der Bundesrepublik. Der erste Mensch betritt den Mond, in den USA findet das Woodstockfestival statt. Gustav Heinemann wird Bundespräsident - und seine Tochter Uta die weltweite erste Professorin für Katholische Theologie.

Erstaunlich war dies, weil die Familie Heinemann tief evangelisch geprägt war. Gustav Heinemann war 1949 zum Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands gewählt worden. Und Uta Ranke-Heinemann studierte nach ihrem Abitur, das sie 1947 mit Sondererlaubnis als einziges Mädchen zwischen 800 Jungen am Essener Burggymnasium mit Auszeichnung ablegte, zunächst Evangelische Theologie in Oxford, Bonn, Basel und Montpellier.

Konfessionswechsel: Bruch mit dem Elternhaus

Zu diesem Zeitpunkt war Ranke-Heinemann schon mit Edmund Ranke verlobt, der Katholische Theologie studierte. Die Hochzeit bedeutet für die junge Frau einen Bruch mit dem Elternhaus; Gustav Heinemann konnte den folgenden Konfessionswechsel seiner Tochter nicht akzeptieren. Dabei hätte er gewarnt sein können: "Mein Vater hat, schon als ich Kind war, oft gesagt: Uta, gib nicht immer Widerworte. Das ist wohl so geblieben", sagte Ranke-Heinemann in einem Interview im Jahr 2002.

Die Katholische Fakultät der Universität München, wo Ranke-Heinemann ihre Dissertation 1954 abschloss, nahm die junge Theologin gerne auf. Unter ihren Kommilitonen damals: Joseph Ratzinger, der später Papst werden sollte. I

n den Folgejahren publizierte Ranke-Heinemann viel, galt in Kirche und Wissenschaft als theologische Autorität, legte eine Bilderbuchkarriere als Vorzeige-Katholikin hin.

Acht Männer mussten schließlich 1969 positiv darüber entscheiden, ob Uta Ranke-Heinemann sich habilitieren konnte. Mit ihr endete die mit dem Paulusbrief an Thimotheus kodifizierte Tradition: "Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre ..." - Sie wurde zunächst an einen Lehrstuhl an der Pädagogischen Hochschule in Neuss berufen, lehrte später in Essen Neues Testament und Alte Kirchengeschichte.

Uta Ranke-Heinemann war stets links, engagierte sich im Bereich der Entwicklungspolitik und humanitären Hilfe. Sie reiste Ende 1972 nach Nordvietnam, besuchte kirchliche Hilfsprojekte in Indien und brachte Medikamentenspenden nach Kambodscha.

Anfang der 80er-Jahre sprach sie sich für eine umfassende Nulllösung aller Atomwaffen aus. Durch ihr Engagement in der Friedensbewegung sorgte sie für Schlagzeilen. Bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen kandidierte sie 1985 als Spitzenkandidatin der "Friedensliste", 1999 für die PDS als Bundespräsidentin, "weil sie gegen den Krieg sind", ohne sich jedoch jemals parteipolitisch zu engagieren.

Ich kann 2.000 Jahre Frauen- und Sexualfeindlichkeit der katholischen Kirche nicht ertragen."

In massiven Konflikt mit der Kirche geriet Ranke-Heinemann im Jahr 1987: In einem Fernsehinterview zweifelte sie das Dogma von der Jungfrauengeburt Jesu an. Daraufhin entzog ihr der damalige Ruhrbischof Franz Hengsbach die Lehrbefugnis. Bis zu ihrer Emeritierung lehrte die damals 60-Jährige infolgedessen in Essen Religionsgeschichte.

In zahlreichen Büchern und Talkshows ging Uta Ranke-Heinemann in den folgenden Jahren die katholische Kirche scharf an. So schreibt sie in "Nein und Amen", das 1992 erstmals erschien und zum weltweiten Bestseller wurde:

"Und so bin ich fortgegangen, fort von Jungfraumutter und Henkervater, von dem Gott mit den blutigen Händen, dem Erwürger der Erstgeborenen, der von Abraham das Opfer Isaaks verlangte und später seinen eigenen erstgeborenen und einzigen Sohn für uns opferte. Die Bibel war mir nicht mehr Gottes Wort. Es wurde Menschenwort und tröstet mich nicht."

Öffentliche Auftritte absolvierte Uta Ranke-Heinemann gern in einem mintgrünen Leder-Kostüm, das sie 1987 erstmals trug und das ihr Markenzeichen wurde.

"Ich kann 2.000 Jahre Frauen- und Sexualfeindlichkeit der katholischen Kirche nicht ertragen", sagte sie im Jahr 2002 im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst, das Kirchenrecht nannte sie "ein Kompendium maskuliner, hierarchischer Arroganz".

Kirche habe nichts mehr mit Liebe und Verständnis zu tun. Ein Austritt kam aber für Uta Ranke-Heinemann nie infrage: "Auf keinen Fall trete ich aus. Da ich mich als Christin verstehe im Sinne von Jesu Bergpredigt, möchte ich nicht die Kirche komplett diesem herrschsüchtigen, kalten vatikanischen Machtapparat überlassen. Ich verstehe mich als bleibenden Protest in der katholischen Kirche." Außerdem halte sie es für wichtig, als Frau in der Kirche für die Rechte der Frauen zu kämpfen.

Tief getroffen hat Ranke-Heinemann der Tod ihres Mannes Edmund, mit dem sie zwei Söhne hat, im Jahr 2001. Sein Tod habe sie aus der Verankerung gerissen: "56 Jahre war Edmund das Glück meines Lebens", und "nach dem Tod meines Mannes besteh ich nur noch aus Melancholie", sagte die Theologin im Jahr 2003 in einer Talkshow. "Ich habe mein ganzes Leben lang nachgedacht, vor allem über den Tod. Und ich suche nach dem Wiedersehen mit meiner Mutter und meinem Mann."

Auf keinen Fall trete ich aus. Da ich mich als Christin verstehe im Sinne von Jesu Bergpredigt, möchte ich nicht die Kirche komplett diesem herrschsüchtigen, kalten vatikanischen Machtapparat überlassen."

Inzwischen tritt Uta Ranke-Heinemann nicht mehr öffentlich auf. Zu ihrem 90. Geburtstag im Jahr 2017 sagte sie in einem Interview: "Ich bin nicht mehr auf der Höhe meines ehemaligen Verstandes."

Seine Mutter leide an einer leichten Demenz, erklärte daraufhin Sohn Andreas. Die Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft verfolge sie aber noch immer interessiert. "Sie ärgert sich auch immer noch über die katholische Kirche und den Papst."

Aktualisierung: Uta Ranke-Heinemann verstarb am 25. März 2021 im Alter von 93 Jahren. 

Weitere wichtige Frauen des Jahrzehnts 1960-1969

Die erste Frau, die einen Lehrstuhl in katholischer Theologie anstrebte, war Elisabeth Gössmann, die am 1. Mai im Alter von 90 Jahren starb. Von 1963 an wurde er ihr 37 Mal verwehrt. Erst 1990 konnte sie eine außerplanmäßige Professur in München antreten. Ihre Erinnerungen tragen übrigens den Titel "Geburtsfehler weiblich".

Mit der CDU-Abgeordneten Elisabeth Schwarzhaupt wurde am 14. November 1961 erstmals eine Frau Ministerin (für Gesundheit). Vor allem mit Kanzler Adenauer hatte sie es nicht leicht: Die Kabinettsitzungen eröffnete er wie bisher mit den Worten: "Morjen, meine Herren."

Stand: 25.03.2021