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Maria, wer bist du?  

Gottesmutter, Himmelskönigin, gehorsame Dienerin, Unbefleckte – Maria wurde über die Jahrhunderte in vielen Rollen gesehen. Bis heute wird sie in der aktuellen kirchenpolitischen Situation für verschiedene Argumente herangezogen. Doch was wissen wir wirklich über Maria?  

Von Isabelle De Bortoli

Maria ist schön. Maria ist streng. Maria ist unbefleckt und frei von Sünde. Maria ist Vermittlerin zwischen Himmel und Erde. Maria ist eine Frau unter uns.

Wer sich Mariendarstellungen aus den unterschiedlichsten Epochen ansieht, entdeckt, dass es höchst unterschiedliche Arten gibt, wie die Menschen der jeweiligen Zeit Maria gesehen und gemalt oder geformt haben.

Dabei ist Jesu Mutter die wohl am häufigsten dargestellte Frau der Weltgeschichte. " Schon im zweiten Jahrhundert nach Christus gab es erste Wandmalereien.

Im fünften Jahrhundert, nach dem Konzil von Ephesos, bei dem Maria als Gottesmutter anerkannt wurde, nahmen die Mariendarstellungen dann stark zu", sagt Daniela Krupp, Kunsthistorikerin und stellvertretende Leiterin der Domschatzkammer Essen.

"Es gibt die Darstellung von Maria als einzelne Figur, als sogenannte Madonna mit Jesuskind, und in Figurengruppen, die Szenen aus dem Marienleben oder aus dem Leben Jesu zeigen."

Begriff der "schönen Madonna"

Während Maria in den ersten Jahrhunderten meist sitzend und sehr streng, quasi als Thron für das Jesuskind, dargestellt wurde, zudem extrem idealisiert als Himmelskönigin, weicht dies ab dem 14. Jahrhundert einer menschlicheren Anmutung.

"Man sieht sie stehend, mit dem Kind auf dem Arm. Oft wird in dieser Phase Maria auch als sehr schöne Frau gezeigt", erklärt Daniela Krupp. "Da hat sich der Begriff der ,schönen Madonnen' geprägt."

Gerne hat Maria auch einen Apfel in der Hand, der sie als neue Eva mit dem Paradies in Verbindung bringt. Sie ist es, die dem Menschen durch die Geburt ihres Sohnes das Paradies wieder zugänglich macht, so die Kunsthistorikerin. Dass sie Mittlerin zwischen Himmel und Erde ist, symbolisiert auch die Farbe Blau, die meist gewählte Farbe des Mantels Mariens, die in früheren Zeiten extrem kostbar war.

Die Darstellung der "Maria Immaculata" etabliert sich vor allem im Barock ab dem 17. Jahrhundert. Sie beruht auf dem Glauben, Maria sei im ersten Augenblick ihrer Empfängnis rein von jedem Makel der Erbschuld bewahrt.

Doch: Diese Idee ist eine der vielen Idealvorstellungen, die man auf Maria projiziert hat. Denn in der Bibel steht erstaunlich wenig über Maria.

"Wir erfahren nichts über ihre Herkunft, ihre Eltern, ihren Tod", sagt Ulrike Göken-Huismann, Theologin und Geistliche Begleiterin des kfd-Bundesverbandes. "Wenn man schaut, wo Maria in der Bibel wirklich vorkommt, finden sich außerhalb des Lukasevangeliums kaum Stellen: Bei Markus wird Maria einmal als Jesu Mutter erwähnt, auch bei Matthäus bleibt sie stumm und spricht kein einziges Wort. Bei Johannes redet Jesus bei der Hochzeit zu Kana etwas schroff zu ihr, in der Passionsgeschichte steht sie hier unter dem Kreuz. Entscheidend ist also, was Lukas uns berichtet."

Und dort falle laut Göken-Huismann eben auch der Satz, der bis heute eine unendliche Wirkungsgeschichte habe und Maria immer wieder in die Rolle der ergebenen, gehorsamen Dienerin rücke: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn." (Lk 1,38)

Maria hat etwas Eigenes zu sagen

Dabei ist Maria sehr viel mehr als eine, die demütig ist, die sich einfach alles sagen lässt und nicht diskutiert - das zeigt sich wenige Verse weiter in ihrem berühmten Loblied Magnificat.

Maria ist stolz und selbstbewusst, als sie sagt: "Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter", sie verkündet nahezu Revolutionäres mit den Worten "Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen". (Lk 1,52f)

"Maria hat etwas Eigenes zu sagen, agiert wie eine Prophetin. Sie ist Handelnde, Aktive, eben nicht nur passive Dienerin", sagt Ulrike Göken-Huismann.

Wie schon die Kunstgeschichte zeigt, wandelte sich die Marienverehrung im Laufe der Zeit.

"Im Mittelalter war Religion oft angstbesetzt, den Menschen wurde mit der Hölle gedroht, sie sollten sich den Himmel erkaufen. Die Menschen fragten sich, wie sie Gnade und Heil erlangen konnten. Maria war in dieser Zeit eine Frau, die nahbar war, bei der man Gnade finden konnte", so die Theologin.

Ebenso sei Maria in Kriegszeiten als Trösterin der Menschen verehrt worden, in der Zeit der Gegenreformation war sie Erkennungszeichen der Katholikinnen.

"Die Menschen haben immer nach einer Beziehung zu Maria gesucht. Für uns Frauen könnte die Stelle bei Lukas ins Blickfeld rücken, in der Maria Elisabeth trifft, vermutlich ihre Cousine", sagt Göken-Huismann.

"Diese ist ebenfalls schwanger, und zwar mit Johannes dem Täufer. In der Bibel steht: Maria blieb etwa drei Monate bei Elisabeth. (Lk 1,56) Drei Monate also, in denen sich die beiden Frauen unterstützten und über ihre Schwangerschaft austauschten, viel miteinander redeten und gemeinsam beteten. Frauen, die sich helfen - das ist doch einer der Grundgedanke der kfd. Ich finde, Maria agiert hier wie eine Schwester, sie ist auf einer Ebene mit uns, sie ist nahbar. Und das könnte sie auch für uns sein. Maria als Schwester, als Schwester im Glauben."

Ausstellung: Die Goldene Madonna

Der Essener Domschatz zeigt vom 12. Oktober 2019 bis zum 2. Februar 2020 die Ausstellung "Essen sein Schatz - Die Goldene Madonna", bei der das bedeutendste Kunstwerk des Ruhrgebiets im Mittelpunkt steht.

Die Goldene Madonna um 980 ist die älteste erhaltene dreidimensionale Darstellung der Muttergottes mit dem Kind und eine von nur noch wenigen erhaltenen frühmittelalterlichen Großplastiken überhaupt.

Anlässlich des Jubiläums als Bistumspatronin präsentiert der Essener Domschatz eine kulturhistorische Ausstellung zur Goldenen Madonna. Sie war bedeutendes Kultbild im Mittelalter und gehört heute zu den wichtigsten Werken der abendländischen Kunst.

In über 1.000 Jahren wurde sie verehrt, beschenkt, beschützt, gehütet, gekrönt, rezipiert, bewundert, ausgelagert, restauriert und kopiert. Die Ausstellung zeigt - sie ist weit mehr als "Essen sein Schatz".

www.domschatz-essen.de, geöffnet dienstags bis sonntags, 11 bis 17 Uhr.

Stand: 29.10.2019