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Ein Neustart braucht ein gutes Rezept

Das Hobby zum Beruf machen und mit knapp 50 Jahren einen beruflichen Neustart wagen: Stefanie Kleiner hat sich mit ihrer Kochschule einen Lebenstraum erfüllt. Wie sie es geschafft hat? Mit einer großen Portion Gottvertrauen und einem guten Rezept.

Von Saskia Bellem

Es knistert und knackt, in der Luft liegt ein leichtes Röstaroma. Mit einer Hand hebt Stefanie Kleiner die gusseiserne Pfanne und lässt routiniert den Inhalt tanzen.

"Geröstete Sonnenblumenkerne habe ich immer auf Vorrat da. Damit lässt sich jedes Gericht blitzschnell aufpeppen, noch dazu stecken sie voller Magnesium." Sie nimmt die Pfanne vom Herd und besprüht die Kerne mit einer Wasser-Salz-Mischung.

"Das gibt erst den richtigen 'Knack'. Gutes und gesundes Essen kann so einfach sein. Und gesund ist für mich das einzig Wahre."

"Wahr", "Wahrheit": Wörter, die Stefanie Kleiner oft verwendet. Das Echte, Ehrliche - darauf kommt es der 54-Jährigen beim Essen an. Lebensmittel, die wirklich zum Leben da sind, für die niemand ausgebeutet wird, die keine langen Wege zurücklegen.

Ein Neuanfang setzt unheimliche Kräfte frei. Und ich hatte die Vision, Menschen dabei zu helfen, lecker und gesund zu kochen."

Saisonal und regional, dazu jeden Tag frisch. Nach dieser einfachen Maxime lebt und arbeitet Kleiner heute. Bis es so weit war, verging ein Vierteljahrhundert.

Im Unterallgäu wächst sie zwischen Memmingen und München auf. Nach dem Abitur 1983 geht sie nach Paris: ein Jahr Kochschule, aus Leidenschaft zum Hobby, ganz ohne berufliche Absichten.

Zurück in Bayern folgen­ eine Ausbildung zur Werbekauffrau und ein FH-Studium zur Kommunikationswirtin, danach arbeitet sie als Werbetexterin.

Viele leidenschaftslose Jahre in Marketing und Werbung später ist sie 45, dreifache Mutter und frisch getrennt vom Vater ihrer Kinder. Da macht sie eine entscheidende Beobachtung: Immer weniger Menschen können kochen, essen mit Genuss oder Sinnlichkeit, laufen aber kopflos jedem Ernährungstrend hinterher. Zeit für Kleiner, ihr Hobby zum Beruf zu machen.

"Ein Neuanfang setzt unheimliche Kräfte frei. Und ich hatte die Vision, Menschen dabei zu helfen, lecker und gesund zu kochen", erinnert sich Kleiner. Angst hat sie nie.

 "Mein Urvertrauen in Gott, darin, dass alles gut wird, ließ mich auch in der Zeit des Umbruchs nachts ruhig schlafen. Und heute noch trägt mich diese Zuversicht durch jeden einzelnen Tag."

Ihr Gottvertrauen gab ihr den Mut für den beruflichen Neustart. Also absolvierte Kleiner, die seit 1996 in Köln wohnt, eine Fachakademie zur Bioköchin und ein Fernstudium zur Ernährungsberaterin. Sie wagte den Schritt in die Selbstständigkeit und eröffnete 2014 im Kölner Stadtteil Sülz die Kochschule "Esswahres".

Spezielle Förderungen gab es damals nur für ein Existenzgründer-Coaching. Das nahm sie in Anspruch. Die Investitionen stemmte sie unter anderem durch die Auflösung von Rücklagen und die Aufnahme eines Kredites. "Ein hohes Risiko, dessen war ich mir bewusst."

Heute weiß sie gar nicht mehr, wie sie das alles gemacht hat: "An sechs Tagen geöffnet, sonntags die Folgewoche planen, Einkäufe erledigen, der Jüngste erst neun. Plus Hund!"

Ihr Umfeld reagiert dennoch überwiegend positiv auf ihren Mut. "Es gab viel Bewunderung und nur wenige Neider. Die waren mir egal. Denn Neid entsteht ja dort, wo man gerne dasselbe machen würde, sich aber nicht traut."

Ihre Kochschule lässt nicht vermuten, dass Kleiner je etwas anderes getan hat: Professionell wirken Edelstahl und Hightech, gemütlich Holzbänke und Gemüsegemälde. Der herrlich wilde Kräutergarten hinter dem Haus unterstreicht mit rotem Retrofahrrad, üppigen Hortensien und Bienensummen das Wahre, Echte.

Das wirkt: Firmen buchen Kleiner gerne für Veranstaltungen, Privatmenschen feiern bei "Esswahres" ihren Geburtstag, an dem die Gäste unter Anleitung selbst kochen, und in Kochkursen vermittelt Kleiner, welche saisonalen Gerichte auch werktags machbar sind.

"Oft werde ich gefragt, warum ich noch keinen Burnout hatte. Ich antworte dann, dass man da, wo die Seele hinwill, keinen Burnout kriegen kann. Wenn man seine Seelenaufgabe gefunden hat."

Angemerkt

Stefanie Kleiner wird zur Feier des 90. Jubiläums des kfd-Bundesverbandes im Oktober 2018 Dinkelbratlinge nach einem Rezept der Heiligen Hildegard von Bingen zubereiten.

Stand: 30.08.2018