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23. März 2021 Aktuelles

Mühsamer Kampf um Gleichberechtigung

Die Herzkammer der Demokratie: Der Deutsche Bundestag. Doch der Frauenanteil im Bundestag ist viel zu gering. Foto: pixabay

In der Diskussion: Ingrid Müller, ehemalige Sprecherin des Ständigen Ausschusses "Frauen und Erwerbsarbeit" mit Autor Torsten Körner und den Politikerinnen Christa Nickels (Grüne) und Ursula Männle (CSU). Screenshot: Beate Behrendt-Weiß

Die Delegierten des Ständigen Ausschusses "Frauen und Erwerbsarbeit" der kfd bei ihrer Frühjahrstagung. Screenshot: Beate Behrendt-Weiß

Der Ständige Ausschuss "Frauen und Erwerbsarbeit" der kfd traf sich zu seiner digitalen Frühjahrstagung und lud zur Lesung und Podiumsdiskussion über die Männerbastion Politik.

"Wie viel Kraft ist unserer Gesellschaft verloren gegangen, wie viel Talent auf der Strecke geblieben und verschwendet worden, weil Frauen in der Geschichte nicht zum Zuge kamen? Wir brauchen eine Kultur des Miteinanders, die den Beitrag von Frauen als Gewinn für alle versteht. Denn das ist er."

Besser und feministischer als der Autor und Dokumentarfilmer Torsten Körner hätte das Fazit der Podiumsdiskussion kaum formuliert werden können.

Wie Frauen die Politik eroberten

Die Lesung aus Torsten Körners Buch "In der Männerrepublik - Wie Frauen die Politik eroberten" war ein Höhepunkt der Frühjahrstagung des Ständigen Ausschusses "Frauen und Erwerbsarbeit" der kfd, die unter der Überschrift "Frauen, ist euch das genug?" vom 19. bis 21. März 2021 als Videokonferenz stattfand. 

Gemeinsam mit den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Prof'in Ursula Männle (CSU) und Christa Nickels (Bündnis 90/Die Grünen) gestaltete Torsten Körner den ersten Abend der Frühjahrstagung, den die ehemalige Sprecherin des Ausschusses, Ingrid Müller, moderierte. Rund 50 Zuhörer*innen - Delegierte und Gäste - schalteten sich dazu.

Mühsame Kämpfe um Anerkennung und Gleichberechtigung

In seinem im Jahr 2020 erschienenen Buch zeichnet Körner den Weg engagierter, charismatischer Frauen in der Männerbastion Politik nach, von den Anfängen der Bundesrepublik bis hin zur ersten Kanzlerin: Ein Weg mit mühsamen Kämpfen um Macht, Anerkennung und Gleichberechtigung, gepflastert mit Anfeindungen und Herabwürdigungen, mit parteiübergreifenden Frauen-Bündnissen und der Erkenntnis, dass der Fortschritt eine Schnecke ist.

Die ehemaligen Parlamentarierinnen Männle und Nickels untermauerten die Aussagen Körners mit eigenen Schilderungen. Zum Beispiel, wie unverfroren Frauen auf ihr Äußeres reduziert wurden, während "Stiernacken und Bierbauch" bei Männern nie ein Thema gewesen seien. Oder welche "niederträchtigen Gemeinheiten" die weiblichen Abgeordneten der Grünen erdulden mussten, als die Partei 1983 in den Bundestag einzog.

Für Kopfschütteln sorgten auch andere Begebenheiten, von denen die Politikerinnen berichteten: So musste sich Ursula Männle beim Besuch einer politischen Veranstaltung fragen lassen, ob sie vor Ort einen Mann suche oder was sonst der Anlass ihres Besuches sei.

"Frauen fehlen im Bildgedächtnis."

Beide kfd-Frauen betonten, dass es für sie so gut wie keine weiblichen Vorbilder gegeben habe. Das liege auch daran, so Torsten Körner, dass von Männern dominierte Medien vor allem ihre Geschlechtsgenossen in den Fokus nehmen und Frauen damit medial benachteiligt wurden und werden. "So fehlen Frauen im Bildgedächtnis."

Spannend waren auch die Einblicke, die CSU-Politikerin Ursula Männle in ihre anfangs geheimen Treffen mit Vertreterinnen von SPD und Grünen gab. "Gerade die Grünen haben viele Probleme angesprochen, die Frauen betreffen. Es hat mich sehr gestört, dass diese wichtigen Themen in meiner Fraktion keine Chance hatten, einfach nur, weil sie von den Grünen kamen."

In der überparteilichen Zusammenarbeit habe man allerdings viel bewegt und vorangebracht. Und dabei sei die Unterstützung von Verbänden wie der kfd elementar gewesen.

Die Frauenquote ist notwendig

Aber auch bei den Grünen brauchte es angesichts "vieler Platzhirsche" eine Quote, damit Frauen Amt und Mandat erreichen konnten. Christa Nickels, Gründungsmitglied der NRW-Grünen und als erste Grüne langjähriges Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, berichtete davon. 

Auch CSU-Politikerin Ursula Männle, selbst viele Jahre Sprecherin der "kfd-Berufstätige Frauen" (Vorgängerin des Ständigen Ausschusses "Frauen und Erwerbsarbeit"), befürwortet mittlerweile die Quote als notwendiges Hilfskonstrukt: "Es ist eine Illusion zu glauben, dass Kompetenz allein sich durchsetzt."

Aus eigener Erfahrung wisse sie, wie brutal die Kämpfe um sichere Wahlkreise und Listenplätze seien. Aber Frauen dürften nicht länger nur nachrücken, wenn Männer aus den Parlamenten ausscheiden.

"Es ist eine Illusion zu glauben, dass Kompetenz allein sich durchsetzt."

Mit Blick auf den geringen Frauenanteil in den aktuellen Parlamenten und die anstehende Bundestagswahl forderten beide ehemalige Bundestagsabgeordnete, dass Parteien moderner und weiblicher werden müssten, um Frauen anzusprechen und ihnen Gestaltungsmöglichkeiten zu geben.

"Denn wir müssen da sein, wo die Gesetze gemacht werden und wo wir für unsere Anliegen Mehrheiten schaffen können. Und dafür brauchen wir ein völlig neu durchdachtes Wahlrecht," forderte CSU-Politikerin Männle, die den Aufruf für ein Paritätsgesetz unterzeichnet hat.

"Wir müssen verdammt aufpassen, dass es für Frauen nicht zurückgeht und die Mütterfalle wieder zuschnappt!"

Angesichts einer spürbaren Retraditionalisierung warnten Ursula Männle, Christa Nickels und Torsten Körner abschließend vor rückwärtsgewandten Entwicklungen: "Wir müssen verdammt aufpassen, dass es für Frauen nicht zurückgeht und die Mütterfalle wieder zuschnappt!"

Gleichstellung in der Arbeitswelt

Im Studienteil der Frühjahrstagung ging es mit der Politikwissenschaftlerin Prof'in Clarissa Rudolph und der Beraterin für Gleichstellungsfragen, Dr. Andrea Jochmann-Döll, um die Frage, mit welchen Instrumenten Gleichstellung in der Arbeitswelt realisiert werden kann und welche Forderungen an die Politik zu stellen sind, um die Bundestagswahl 2021 zu einer Wahl für nachhaltige Geschlechtergerechtigkeit zu machen.

Neben bekannten Forderungen wie der Abschaffung von Minijobs und Ehegattensplitting rückten die Delegierten vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie die prekären Arbeitsbedingungen in systemrelevanten Berufen wie der Pflege in den Fokus und forderten unter anderem die Neubewertung aller Dienstleistungsberufe unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien, das Recht auf Weiterbildung und eine höhere Tarifbindung.

Ein weiteres Augenmerk richteten sie auf die Arbeitsbedingungen im Homeoffice und die sogenannte "mittelbare Diskriminierung", die dann vorliegt, wenn Kriterien bei der Personalauswahl nur dem Anschein nach geschlechtergerecht sind.

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Stand: 23.03.2021
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